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Werden Deutschlands Kinder immer dicker? - Interview mit Professor Dr. Christine Graf

Werden Deutschlands Kinder immer dicker? GesünderNet sprach mit Dr. med. Dr. sportwiss. Christine Graf vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Sporthochschule Köln über die Gründe für Übergewicht bei Kindern und wie man schon während der Schwangerschaft das Essverhalten der Kinder beeinflussen kann.

GesünderNet: Frau Professor Graf, gibt es tatsächlich immer mehr dicke Kinder, oder ist das möglicherweise nur die Meinung einer immer lauter werdenden Gesundheitsbewegung?
Professor Christine Graf: In manchen Bundesländern und Regionen sprechen Zahlen für eine Stagnation, zumindest bei Erstklässlern. Allerdings ist diese auf einem hohen Niveau, so dass wirksame Gegenmaßnahmen in jedem Fall weiter gesucht und umgesetzt werden sollten.

GesünderNet: Woran liegt es, dass Kinder übergewichtig werden? Gibt es einen allgemeinen oder demografischen Trend?
Professor Christine Graf: Einerseits spielt die Genetik eine wichtige Rolle, zum anderen aber ist es vor allem unser Lebensstil; heutzutage bewegen sich Kinder, aber auch Erwachsene deutlich weniger und essen hochkalorische Kost.

GesünderNet: Es gibt Kinder die Übergewicht haben. Es gibt Kinder die fettleibig sind. Was ist hier der Unterschied und wie stark wirkt sich das auf die Gesundheit tatsächlich aus?
Professor Christine Graf: Eigentlich nutzen wir das Wort „fettleibig“ ungern, da es so abwertend klingt. Meist spricht man von extrem übergewichtig oder nutzt den Fachbegriff „adipös“. Letzteres ist mit einer Vielzahl möglicher Begleiterkrankungen verbunden. So zeigen sich in etwa einem Drittel eine Fettstoffwechselstörung, Bluthochdruck, orthopädische und psychosoziale Folgen. Ein Prozent der adipösen Kinder weist sogar einen Alterszucker auf.

GesünderNet: Werden Kinder schon dick geboren, oder werden sie das erst, weil die Eltern sie falsch ernähren, falsch beschäftigen?
Professor Christine Graf: Nicht selten wird Übergewicht bereits in der Schwangerschaft „gebahnt“, zum einen natürlich über die Genetik bzw. familiäre Veranlagung, zum anderen aber auch durch die Menge und Zusammensetzung an Kohlenhydraten, die während der Schwangerschaft verzehrt werden. So wird der Stoffwechsel des werdenden Kindes geprägt. Auch bei Bewegung scheint eine solche Prägung möglich.

GesünderNet: Gibt es Dinge, auf die eine Mutter bereits in der Schwangerschaft achten kann, damit das Kind nicht übergewichtig wird?
Professor Christine Graf: Überwiegend Wasser trinken, komplexe Kohlenhydrate essen und vor allem bewegen – zumindest, wenn aus Sicht der behandelnden Frauenärzte nichts dagegen spricht. Viele werdende Mütter möchten dem Kind nicht schaden und treiben keinen Sport mehr. Das bewirkt aber eher das Gegenteil.

1332 portraet grafProf. Dr. Dr. Christine Graf, (c)privatGesünderNet: Was ist der größte Fehler, den Eltern bei Fettleibigkeit ihres Kindes machen können?
Professor Christine Graf: Das lässt sich leider nicht so pauschal beantworten. Es gibt umgekehrt ein paar einfache Regeln, die Eltern beachten könnten (s. Tipps). Wichtig ist es, ein Bewusstsein für eine gesunde Gewichtsentwicklung zu haben. Und Regeln, die definiert werden, auch tatsächlich einzuhalten, z.B. Fernseh- und PC-Zeiten vorzugeben und zu besprechen; und nicht direkt beim ersten Jammern „Ich mag nicht“, mit dem Versuch Sport zu treiben aufhören.

GesünderNet: Welche drei Tipps haben Sie für Eltern, damit sie ihre Kinder vor Übergewicht und Fettleibigkeit schützen können?
Professor Christine Graf: Erstens: Wasser trinken und Säfte verdünnen (eins zu drei oder eins zu vier), zweitens: Medienzeit begrenzen, je nach Alter nicht mehr als zwei Stunden am Tag, und drittens: So viel wie möglich bewegen. Ziel: Mindestens 90 Minuten Bewegungszeit am Tag.


Foto im Text: (c) privat