Weniger Krebsmeldungen – aber nicht weniger Erkrankte
So ergab eine Auswertung des Landeskrebsregisters Nordrhein-Westfalen, dass im April 2020 – dem Monat des ersten Lockdowns in Deutschland – allein in NRW 638 Krebsbefunde weniger gemeldet wurden als im Durchschnitt 2019.Der logische Menschenverstand sagt einem, dass es in dieser Zeit sicherlich nicht weniger Erkrankungen gab. Die Menschen haben sich nur nicht untersuchen lassen – trotz vielleicht bereits vorhandener Beschwerden. Oder sie sind nicht zur Krebsvorsorge gegangen.
Dass jedoch gerade bei Krebs eine frühzeitige Erkennung und Behandlung extrem wichtig für den Therapie-Erfolg und eine eventuelle Genesung sind, ist inzwischen ja wohl bekannt.
Weniger Infarkt-Meldungen – mehr Todesfälle
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Herzinfarkten und Schlaganfällen, hier sogar mit bereits deutlich erkennbaren Folgen. Allein im Zeitraum Mitte März bis Anfang April 2020 sind in deutschen Krankenhäusern 28 Prozent weniger Herzinfarktpatienten und 15 Prozent weniger Schlaganfallpatienten als im Vorjahrszeitraum eingeliefert worden. Insbesondere die Anzahl von Patienten mit leichtem Herzinfarkt ging besonders stark zurück. Das hat eine wissenschaftliche Auswertung der AOK ergeben. Gleichzeitig wiesen jedoch sowohl die eingelieferten Herzinfarkt- als auch die Schlaganfall-Patienten eine deutlich höhere Mortalität auf. Und das, obwohl – auch das ein Ergebnis der Studie – die Notfallversorgung im Krankenhaus unverändert funktionierte und die Behandlungsprozesse teilweise sogar schneller abliefen als normalerweise.Die Autoren der Auswertung gehen davon aus, dass die Angst vor einer COVID-19-Infektion gerade Patienten mit leichten Beschwerden davon abgehalten hat, sich ins Krankenhaus zu begeben. Eine sehr gefährliche Entwicklung, denn bei der Behandlung von Herzinfarkt und Schlaganfall zählt jede Minute.
Darum von meiner Seite noch einmal die dringende Bitte: Auch in Zeiten von Corona ändert sich nichts daran, dass Sie krank werden können. Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und die vielen anderen ernsten Erkrankungen haben ihren Schrecken nicht verloren. Eine Nicht-Behandlung wäre ein Kollateralschaden der Pandemie-Zeiten.
Wenn Sie Symptome verspüren, reden Sie mit Ihrem Arzt darüber. Und bei den ersten Anzeichen eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls wählen Sie bitte sofort den Notruf 144 oder den Euronotruf 112.
Nutzen Sie – wenn Sie die technischen Voraussetzungen dazu haben – neue Wege wie Arztbesuche via Smartphone-App. Viele Ärzte bieten auch Videotelefonate an. Das erspart Ihnen nicht nur Kontakte mit anderen Patienten. Er verkürzt Wartezeiten, erspart Anfahrtskosten und der Arzt Ihres Vertrauens ist für Sie auch aus dem Ausland erreichbar.
Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.
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