Wearables können Leben retten pixabay.com
Gesund mit Diehm

Wearables können Leben retten

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Digitale Helfer wie Wearables erkennen beispielsweise Herzrhythmusstörungen. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm.
Die Medizin erlebt seit einigen Jahren eine „digitale Revolution“. Man kann von einer Innovationsexplosion sprechen. Insbesondere zwei Bereiche werden enorm befruchtet. Die Medikamentenentwicklung macht mit Hilfe von Big Data große Fortschritte. Bei den Geiseln der Menschheit wie Krebs, Demenz oder Alzheimer werden wir bald bahnbrechende Durchbrüche erleben.

Einen anderen, im Alltag ähnlich wirkungsmächtigen Fortschritt gibt es durch die Nutzung sogenannter Wearables. Das sind kleine Computer, die am Körper getragen werden. Also Smartwatches, Fitnessarmbänder und ähnliches, die ein Körper-Monitoring ermöglichen. Diese Helfer erkennen beispielsweise Herzrhythmusstörungen.

In diesem Zusammenhang dürfen Sie zurecht von ihrem Arzt erwarten, dass er bei diesem Trend mit „an Bord“ ist und sie berät, welches Wearable für Sie hilfreich ist. In den USA lag der Markt für die „Devices“ im Jahre 2017 noch bei sechs Milliarden Dollar. 2023 werden schon über 14 Milliarden Dollar erwartet.

Ich möchte im Folgenden einen Überblick geben, welche digitalen Hilfen es schon gibt und an welchen Ideen aktuell gearbeitet wird. Die Bandbreite ist enorm.

Vor zwei Jahren erregte in den USA ein Pflaster hohe Aufmerksamkeit, das nach dem Aufkleben auf den Brustraum sehr genau die Herzkreislaufaktionen und die Atmung überwacht. So können frühzeitig beispielsweise entstehende Asthmaanfälle erkannt werden. Die Dokumentation erfolgt auf dem Smartphone und der Lungenfacharzt beziehungsweise ein behandelnder Internist kann zeitgleich informiert werden.

Eine Indikation für dieses Pflaster wäre, wenn jemand über längere Zeit die Treppe nur schwer hochsteigen kann. Bei dieser Anwendung könnten nicht nur die Herzkreislaufparameter überwacht werden, sondern auch die Belastungen in den Gelenken. Dies geschieht über Sensoren in der Schuhsohle. So kann bei älteren Menschen frühzeitig auf durch Arthrose ausgelöste Veränderungen geschlossen werden.

Andere Wearables können erkennen, wenn ihr Träger stürzt. Dabei wird selbstständig ein Notruf abgesetzt. Diese App ist speziell auf die Bedürfnisse von älteren Patienten abgestimmt, die nicht mehr sehr mobil sind. Die digitale Überwachung hilft, dass die älteren Patienten möglicherweise länger eigenständig in ihren vier Wänden leben können.

Die Fruchtbarkeitstage bei Frauen werden zukünftig über digitale Armbänder ermittelt. Bei entsprechender Zuverlässigkeit könnte dies dann eine Killer-Applikation für die Anti-Baby-Pille sein und junge Frauen vor den Nebenwirkungen der Hormonzufuhr bewahren. Schwangere Frauen können mit einer anderen App Wehen und Kontraktionen der Gebärmutter frühzeitig erkennen und sich somit rechtzeitig in die Geburtsklinik bewegen.

Aus dem Krankenhaus entlassene Neugeborene werden in Zukunft mit hoher Präzision überwacht. Das kann zu einer deutlichen Reduktion des plötzlichen Kindstodes führen.

Eine weitere, bislang ziemlich unglaubliche Idee: Digitale Pflaster werden auf der Brust von Frauen beziehungsweise im Büstenhalter eingearbeitet. Über Thermosensoren stellen sie metabolische Veränderungen des Brustgewebes fest. Diese Sensoren bestimmen dann auch mit, wie oft und wann Kontroll-Mammographie durchzuführen sind.

Im Cedars Sinai Medical Center in Los Angeles werden Wearables eingesetzt, um einzuschätzen, wie es um die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit von Patienten unter Chemotherapie steht.

Auch bei der Alzheimer Krankheit werden digitale Anwendungen zu Fortschritten führen. Über die Schrittlänge und Schrittgeschwindigkeit können wichtige Rückschlüsse gezogen werden, die dann in eine richtige Behandlung einfließen.

Viele ältere Menschen nehmen zu wenig Flüssigkeit zu sich. Neuartige schweißmessende Sensoren auf der Haut sagen dem Träger, wann er wieder trinken muss. Die Sensoren auf der Haut messen auch die Konzentration der Harnsäure und können auf eine Gichtgefährdung hinweisen.

Wearables optimieren auch die Behandlung von Diabetes. Traditionell müssen sich kranke Patienten mehrfach am Tag in den Finger piksen und mit einem Teststreifen den Blutzucker messen. Dies geschieht aus Sorge vor einer Unter- oder Überzuckerung. Heute kann permanent der Blutzucker über einen Sensor am Oberarm kontrolliert werden. Der Wert wird auf dem Smartphone abgelesen und dokumentiert. Tipps und Warnungen sind gleichzeitig verfügbar. Selbst das Verabreichen von Insulin kann mit digital gesteuerten Insulinpumpen je nach Bedarf gesteuert werden. Eine unglaubliche Erleichterung für Zucker-Patienten.

Ein generelles Problem scheint mir zu sein, dass die Anwender dieser neuen digitalen Tools in der Regel junge Menschen sind. Damit haben wir es oft mit den falschen Zielgruppen bei chronischen Erkrankungen zu tun. Wir müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass die digitale Kompetenz auch im Alter erhalten bleibt beziehungsweise erweitert wird.
All die Beispiele und Ansätze sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was möglich ist oder möglich sein wird. Aber Vorsicht! Wearables sollten nicht eine andere Erkrankung induzieren: die Hypochondrie.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

 

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