Mit Tinnitus leben (lernen) – Volker Albert im Interview thinkstockphotos.de

Mit Tinnitus leben (lernen) – Volker Albert im Interview

Volker Albert ist Vorsitzender der Deutschen Tinnitus Liga und seit 27 Jahren von Tinnitus betroffen. Auslöser war ein Schießunfall ohne Gehörschutz – die Folge: ein Lärmtrauma. Im Interview erzählt er, wie er mit seinem Tinnitus lebt und welche Tipps es für Betroffene im Alltag gibt.

Gesuendernet.de: Herr Albert, wie ist es, mit einem Tinnitus zu leben? Wie kommen Sie damit zurecht?
Volker Albert: Ich kann gut mit dem Tinnitus umgehen. Aber es gibt Zeiten, in denen es einfach nicht geht. Das sind Stresssituationen oder Phasen, in denen ich keinen so guten Zugang zu meinen Gefühlen habe, wenn ich zum Beispiel Dinge unterdrücke – dann rührt sich der Tinnitus. Es fällt vielen Betroffenen schwer, abzuschalten und loszulassen – auch denjenigen, die einen kompensierten Tinnitus haben.

Gesuendernet.de: Was ist ein kompensierter Tinnitus?
Volker Albert: Von einem kompensierten Tinnitus ist die Rede, wenn sich der Mensch mit ihm aktiv arrangiert hat. Es gibt im Gegensatz dazu auch den dekompensierten Tinnitus. Bei dieser Form ist das Leben des Betroffenen deutlich beeinträchtigt, weil Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen oder Despressionen hinzukommen und einem den Alltag erschweren.

Gesuendernet.de: Sie haben bereits seit 27 Jahren Tinnitus. Wie äußert sich das Symptom bei Ihnen?
Volker Albert: Mein Tinnitus ist seit dem ersten Tag an ziemlich gleichbleibend, der Ton ist unverändert da. Es ist kein einzelner Ton, sondern eher ein Tongemisch. Die Frage ist, wie ich ihn wahrnehme. Bin ich auf den Ton konzentriert oder mache ich etwas, dass ich in Gedanken woanders bin – zum Beispiel Dinge, die mir Spaß machen. Dann nehme ich den Tinnitus auch nicht wahr. Aber wenn ich mich wieder auf das Geräusch konzentriere, „höre“ ich es die ganze Zeit.

Gesuendernet.de: Was mache ich, wenn bei mir ein Tinnitus auftritt?
Volker Albert: Der erste Schritt ist: Keine Panik. Wenn das Geräusch nach zwei bis drei Tagen noch immer unverändert ist, sollte man den Hausarzt aufsuchen. Oder zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt gehen, um das Ganze abchecken zu lassen. Aber das Wichtigste ist wirklich, die Ruhe zu bewahren. Panik kann einen Tinnitus nämlich verstärken. Ein Tipp ist der Gang zum Hörgeräte-Akustiker. Der macht den notwendigen Hörtest kostenlos.

Gesuendernet.de: Welche Mittel existieren in der Behandlung von Tinnitus?
Volker Albert: Die klassische Therapie bei akutem Tinnitus ist eine Infusion. Früher gab es verschiedene Mittel, heute gibt es nur noch eines, das nach der Tinnitus-Leitlinie akzeptiert wird, und das ist Kortison. Es kann sein, dass man das Kortison in Tablettenform, als Infusion oder auch als Spritze direkt ins Ohr bekommt. Darüber entscheidet der HNO-Arzt. Was mich als Betroffener ärgert: Es gibt viele Mittel auf dem Markt, die vermeintlich bei Tinnitus helfen sollen – zum Beispiel Ginko. Das ist aber Blödsinn, denn es gibt zahlreiche Studien, die das Gegenteil beweisen.

Gesuendernet.de: Haben Sie Tipps für Betroffene, damit diese besser mit ihrem Tinnitus leben können?
Volker Albert: Üben Sie Dinge aus, die Ihnen Spaß machen und die die Aufmerksamkeit vom Tinnitus weglenken. Ablenkung ist das A und O bei Tinnitus. Allerdings dürfen Sie sich nicht (körperlich) übernehmen und sollten Stress vermeiden. Ausreichend Ruhe- und Regenerationsphasen sind wichtig. Gestalten Sie Ihren Alltag positiv mit kleinen Freuden – genießen Sie zum Beispiel einen Spaziergang im Wald.

Volker Albert, Vorsitzender der Deutschen Tinnitus Liga

Sie möchten mehr über das Symptom Tinnitus erfahren? Dann empfehlen wir Ihnen unser Experteninterview zum Thema Tinnitus mit Siegrid Meier, Dozentin an der Akademie für Hörgeräte-Akustik in Lübeck.

 

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