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Herzinfarkt bei Frauen – schwer erkannt und häufiger tödlich

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Herzinfarkt, so denken viele, ist „Männersache“. Doch leider sind immer mehr Frauen betroffen und bei ihnen liegt die Todesfallrate sogar höher. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Pof. Dr. Curt Diehm.
Starke Schmerzen im Brustkorb, die in die Arme ausstrahlen, ein massives Engegefühl, Angstschweiß und Panik-Attacken – diese typischen Anzeichen für einen Herzinfarkt kennt jeder. Und ich wähle hier ganz bewusst das männliche „jeder“. Denn bei Frauen äußert sich der Herzinfarkt oft deutlich unspezifischer.

Typische Frauen-Symptome

Zu diesen unspezifischen Anzeichen, die auch bei Männern, aber viel häufiger bei Frauen im Umfeld eines Herzinfarkts auftreten, zählen beispielsweise Übelkeit, Atemnot, Schmerzen im Oberbauch und Erbrechen. Auch leiden Frauen häufiger unter einem Druck- oder Engegefühl im Brustbereich, das nicht vom bei Männern typischen Stechen in der Brust begleitet wird. Das Gefährliche daran: Diese Beschwerden treten nicht selten bei anderen harmloseren Erkrankungen auf. Darum wird der Infarkt häufig gar nicht oder viel zu spät erkannt. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt jedoch, immer dann den Notarzt zu rufen, wenn diese unspezifischen Beschwerden in zuvor noch nie erlebtem Ausmaß auftreten.

Lieber einmal zu häufig, denn aktuelle Zahlen zeigen, dass anders als landläufig vermutet, Herzinfarkte und Schlaganfälle auch bei Frauen die häufigste Todesursache darstellen. Und während bei Männern die Todesfallrate kontinuierlich abnimmt, sinkt sie bei Frauen deutlich langsamer und steigt zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr sogar an.

Die Zeit drängt immer

Weil die Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen häufig nicht bemerkt oder verharmlost werden, erfolgt leider sehr oft auch die Behandlung zu spät. Unabhängig vom Geschlecht gilt: die erste Stunde nach dem Verschluss eines Gefäßes ist entscheidend und wird darum auch als „goldene Stunde“ bezeichnet. Nur in dieser Zeit kann eine wiederhergestellte Sauerstoffzufuhr verhindern, dass das durch den Infarkt nicht versorgte Gewebe im Herzmuskel abstirbt. „Time is muscle“ – Zeit ist Herzmuskel, so lautet die Devise.

Studien haben gezeigt, dass bei Frauen lediglich elf Prozent aller Herzinfarktfälle die notwendige Intervention innerhalb dieser goldenen Stunde erhalten. Das ist erschreckend.

In den USA sorgte in diesem Zusammenhang eine Untersuchung der renommierten Harvard Medical School für Aufsehen. Die Wissenschaftler analysierten dort die Daten von knapp 600.000 Patienten, die mit einem Herzinfarkt in eine Klinik eingeliefert wurden. Das Ergebnis: Die Todesfallrate lag höher, wenn die Patienten und insbesondere die Patientinnen von einem männlichen Arzt behandelt wurden. Bei Behandlung durch eine Ärztin starben dagegen weniger Patientinnen. Un die Verweilzeit im Krankenhaus war bei Ärztinnen kürzer.

Allerdings wiesen die Wissenschaftler der Harvard Medical School auch gleich darauf hin, dass die Unterschiede nicht zu groß waren und dass auch die Erfahrung des behandelnden Arztes eine große Rolle spielten. Außerdem kann man diese Ergebnisse sicher nicht 1 zu 1 auf Deutschland übertragen.

Achten Sie auf Ihre Risikofaktoren

Mein abschließender Rat lautet jedoch: bitte achten Sie auf Ihre Risikofaktoren. Bei Frauen wie Männern zählen Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Stress und andere psychosomatische Faktoren, Übergewicht, Diabetes und Rauchen zu den Hauptursachen für einen Herzinfarkt. Allerdings wirkt sich Rauchen bei Frauen sehr viel schwerwiegender auf die Herzgesundheit aus, als bei Männern. Das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden, liegt bei rauchenden Frauen um 25 Prozent höher als bei Männern. Ein zusätzlicher Risikofaktor bei Frauen ist die Einnahme der Pille.

Sollten Sie also zu den Risikopatientinnen gehören und eines der genannten Symptome bei Ihnen auftreten, wählen Sie bitte unverzüglich die 112. Nach wie vor ist die Verzögerungszeit bei einem frischen Herzinfarkt in Deutschland viel zu lang. Bis zu einem Anruf bei der Rettungsleitstelle brauchen Frauen 108 Minuten, Männer 80 Minuten.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.