Das „Von-Willebrand-Syndrom“ (VWS) wird unter anderem als eine Blutungsneigung beschrieben. Zum ersten Mal beschrieben hat der finnische Internist Erik Adolf von Willebrand die Krankheit beschrieben, weswegen sie nach ihm benannt wurde.
Beim VWS handelt es sich um die häufigste vererbte Blutstillungsstörung, die der Medizin bekannt ist. Ursächlich für diese Krankheit ist ein Defekt des Von-Willebrand-Faktors.
Der Von-Willebrand-Faktor
Dabei handelt es sich um ein Protein, das im Blutgerinnungsprozess eine wichtige Rolle spielt. Bei einer Verletzung der Blutgefäße trägt das Faktor dazu bei, dass sich Thrombozyten, also die Blutplättchen, die für Schließung der Wunde und die Blutgerinnung sorgen, an der verletzten Stelle anheften. Der daraus entstehende Pfropfen – auch Thrombus genannt – setzt sich sodann durch die Blutgerinnung fest. Der Von-Willebrand-Faktor regelt dabei die Anheftung sowie die Anlagerung weiterer Thrombozyten. Er ist demnach ein Bindeglied zwischen der verletzten Gefäßstelle und den Thrombozyten.
Die Typen des Von-Willebrand-Syndroms
Die Blutungsstärke ist von der Menge und der Qualität des Von-Willebrand-Faktors abhängig. Dabei werden grundsätzlich drei Typen unterschieden:
Beim Typ 1 besteht ein quantitativer Mangel des Faktors. Dieser Typus kommt bei etwa 70 Prozent aller Betroffenen vor. Dabei neigen die Patienten dazu länger zu Bluten als Gesunde. Doch ist die Symptomatik eher als leicht einzustufen und ein normales Leben ist für die meisten möglich.
Beim Typ 2 liegt ein qualitativer Defekt vor. Davon betroffen sind etwa 15 Prozent aller Erkrankten. Hier ist der Faktor ausreichend vorhanden, kann jedoch nicht für eine ausreichende Anheftung der Thrombozyten sorgen. Die Symptome hier sind als mittelschwer einzuordnen. Ein Leben ohne medizinische Behandlung ist kaum möglich.
Beim schwersten Typ 3 ist gar kein Von-Willebrand-Faktor im Blut vorhanden. Weniger als fünf Prozent aller Betroffenen leiden an diesem Typus. Es findet sich eine Kombination von Schleimhautblutungen, kombiniert mit Gelenk- und Muskelblutungen.
Trend der letzten Jahre: Zunehmend erworbenes VWS
In den letzten Jahren wurden zunehmend Patienten untersucht, die das VWS nicht geerbt, sondern anderweitig erworben hatten. Die Krankheit wird vor allem mit
Lymphoproliferativen Syndrom und kardiovaskulären Erkrankungen in Verbindung gebracht. Diese Defekte bestehen schon im Kindesalter und führen im Erwachsenenalter, so die bisherigen Forschungsergebnisse ,zum VWS.
Behandlung und Prophylaxe
Die Behandlung von VWS richtet sich einerseits nach der Grunderkrankung und andererseits nach dem Typus der Erkrankung. Patienten mit dem Typ 1 brauchen in den seltensten Fällen eine Prophylaxe. In den meisten Fällen werden Verletzungen lokal, z.B. mit einem Druckverband, behandelt. Bei VWS Typ 2 sind schon komplexere Behandlungen von Nöten, da es hier um eine genetische Fehlbildung des Von-Willebrand-Faktors geht.
Beim Typ 3 kommen zur Prophylaxe als auch zur Behandlung nur VMF-haltige Blutplasmakonzentrate in Betracht.
Neue Erkenntnisse
Bisher war es für die untersuchenden Mediziner sehr schwer festzustellen, ob der Patient am VWS leidet oder ob andere Blutstillungsdefekte vorliegen. Nun hat man in einer Studie des Transfusionsmedizinischen Zentrums in Bayreuth herausgefunden, dass die Wechselwirkung aus dem Von-Willebrand-Faktor und dem Blutgerinnungsfaktor VIII eine entscheidende Rolle zur Bestimmung der Blutungsneigungsursachen spielt. Denn wann immer die prozentualen Anteile von dem Blutgerinnungsfaktor VIII und dem Von-Willebrand-Faktor um einen Faktor von mehr als zwei voneinander abweichen, kann die Bestimmung der relativen Stöchiometrie (mathematische Bestimmung der Mengenverhältnisse der Stoffmengen) und Affinität helfen zu unterscheiden, ob das Von-Willebrand-Syndrom oder andere Gründe für die Blutstillungsstörungen bei Patienten ursächlich sind.
Quelle:
Karin Kurnik und Mario von Depka-Prondzinski, Von-Willebrand-Syndrom - Ein Leitfaden für Patienten, Trias Verlag, 2009, S. 8, 9, 13 ff., 37 ff.