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Gesund mit Diehm

Antibiotika – Vorsicht vor multiresistenten Erregern

Gegen zahlreiche Infektionen wirken Antibiotika nach wie vor wie ein Wundermittel. Allerdings sorgt ihre häufige Anwendung für immer mehr resistente Erreger. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm.
Seit mehr als 100 Jahren zählen Antibiotika zu den Wundermitteln der Medizin. Früher primär aus der Natur – zum Beispiel aus Pilzen oder Bakterien – gewonnen, werden sie inzwischen vielfach synthetisch oder gentechnisch hergestellt. Sie wirken gegen alle Formen von Bakterien, und zwar ausschließlich. Gegen Pilze oder Viren dagegen bleiben sie wirkungslos. Eine Antibiotika-Behandlung ist immer dann angebracht, wenn Bakterien in den Körper eingedrungen sind und sich vermehren. Manche Antibiotika töten dann die Bakterien direkt ab, andere verhindern ihre Weitervermehrung. So werden Entzündungen und daraus resultierende Schädigungen der Organe vermieden. Zu den typischen Anwendungen zählen beispielsweise Lungen- oder Blasenentzündungen, Hirnhautentzündungen, aber auch durch Bakterien verursachte Erkrankungen wie Scharlach oder die Zecken-Borreliose. Auch nach Operationen werden sie häufig eingesetzt, um Infektionen zu verhindern.

Aufgrund ihrer vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten ist allerdings der weltweite Antibiotikaverbrauch allein in den letzten 15 Jahren um rund zwei Drittel gestiegen.

Wie Antibiotika-Resistenzen entstehen

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass immer mehr Bakterien immun gegen Antibiotika werden. Das kann jedem passieren, denn Bakterien sind Überlebenskünstler und passen sich ihrem Umfeld an. Insbesondere, wer Antibiotika zu häufig verwendet, zu kurz oder falsch dosiert einnimmt, ist gefährdet. Auch der vielfältige Einsatz in der Tierhaltung und die daraus resultierende Aufnahme durch unsere Nahrung begünstigt die Resistenzen.

Insbesondere im ambulanten Bereich, gibt es hier großes Einsparpotential. Eine im deutschen Bundestag vorgelegte Studie der Charité Berlin zeigte nämlich, dass 85 Prozent aller Antibiotika in Deutschland von niedergelassenen Ärzten verschrieben werden. Nur 15 Prozent in Krankenhäusern und davon wiederum rund 85 Prozent auf Nicht-Intensivstationen. Da, wo Antibiotika wirklich Leben rettet, wird es also statistisch besehen am seltensten angewendet.

Wenn gar nichts mehr wirkt

Besonders gefährlich wird diese Entwicklung durch die immer häufiger auftretenden multiresistenten Bakterienerreger – kurz MRE. Zu den bekanntesten zählt wohl der methicillinresistente Staphylococcus aureus – kurz MRSA. Grundsätzlich sind diese Bakterien nicht gefährlicher als andere. Tritt allerdings eine Infektion auf, lässt sich diese deutlich schwerer behandeln, denn nur noch wenige Antibiotika oder im schlimmsten Fall gar keine wirken noch.

Für gesunde Menschen bleibt dieses zumeist ohne Folgen. Menschen mit geschwächter Abwehr jedoch können – wenn beispielsweise diese MRE in eine Wunde eintreten – sogar an der Infektion sterben. Darum treten Infektionen mit MRE auch am häufigsten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen auf.
Laut einer Ende 2018 veröffentlichten Studie der europäischen Seuchenbehörde ECDC sterben inzwischen jährlich rund 33.000 Menschen in Europa an Infektionen mit multiresistenten Keimen. Insgesamt wurden in Europa bereits 2015 fast 700.000 Infektionen mit MRA gemeldet. Tendenz steigend. Die meisten übrigens in Italien und Frankreich, aber Deutschland folgt bereits auf Platz 3.

Darum mein dringender Appell an alle Kollegen, aber auch an Sie, lieber Leserinnen und Leser. Gehen Sie sparsam mit der Antibiotika-Verschreibung und -Einnahme um. Oftmals – so höre ich es immer wieder – werden Antibiotika von Patienten aktiv eingefordert, auch wenn eine Einnahme gar nicht notwendig ist und – wie beispielsweise bei Erkältungen – auch völlig wirkungslos bleibt. Denken Sie immer daran: Auch Sie können in eine Situation kommen, in der Antibiotika ihr Leben retten können.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

 

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