So können Sie Ihren Alkoholkonsum reduzieren pixabay.com
Gesund mit Diehm

So können Sie Ihren Alkoholkonsum reduzieren

Kontrolliertes Trinken. - so klappt´s. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm. 
Vielleicht gehören ja auch Sie zu jenem Personenkreis, auf deren Liste der guten Vorsätze steht: weniger Alkohol trinken.

In unserem Land trinkt statistisch jeder Fünfte aus medizinischer Sicht zu viel. Jeder Zwanzigste ist alkoholabhängig. Alkohol ist ein Nervengift, krebserregend und schädigt viele Organe. Der Grat zwischen purem Genuss und einem Alkoholproblem ist schmal, der Übergang fließend und auch abhängig vom Gesundheitszustand und der Psyche des Einzelnen.

Wie reduziert man den Alkohol? Gute Vorsätze allein reichen in der Regel nicht aus, um das Problem in den Griff zu bekommen, sofern man eindeutig zu viel Alkohol konsumiert. Die Schlüsselfrage lautet, wie entwöhnt sich ein Mensch, der sich bewusst darüber ist, dass ihm der Alkohol schadet. Zu dieser Frage gibt es durchaus auch erfreuliche Erkenntnisse. Zumeist liegt die Latte für eine erfolgreiche Entwöhnung sehr hoch. Die herkömmliche Therapie lautete: totale Abstinenz. Die komplette Enthaltsamkeit galt und gilt vielen Therapeuten als einzig erfolgversprechende Methode. Jeder Tropfen Alkohol ist in der Phase der Entwöhnung und auch später verboten. Die Alkoholkranken sollen gesund werden mit Gottes Hilfe, einer quasi christlich verordneten fundamentalen Enthaltsamkeit. Wer das nicht schafft, wird als Rückfälliger, sozusagen als „Sünder“ angesehen.

Ein wesentliches Problem bei diesem Ansatz: nur etwa fünf bis acht Prozent der erwiesenermaßen Alkoholkranken nehmen professionelle Hilfe in Anspruch. Und nur wenige von ihnen halten die üblicherweise verordnete Abstinenztherapie durch. Viele wollen oder können nicht ein Leben lang auf Bier, Wein, Schnaps oder Whisky verzichten. Die Folge ist, dass Alkoholkranken nur ganz selten die Umkehr gelingt. Die Zahlen sind entsprechend ernüchternd: 70 Prozent aller diagnostizierten Alkoholabhängigen erleiden im ersten Jahr nach einer Therapie einen Rückfall, nach dem zweiten Jahr trinken sogar 90 Prozent wieder. Das stellt das herkömmliche Therapiekonzept infrage.

Kontrolliertes Trinken als Alternative

Insofern ist eine alternative Idee attraktiv. Experten propagieren in der Entwöhnung das sogenannte kontrollierte Trinken (kT). Für mich ist dies ein Fortschritt. Viele psychosomatischen Ärzte gehen heute diesen Weg. Das Ziel ist niederschwelliger. Es geht lediglich um eine Reduktion des Alkoholkonsums. Die Therapeuten fordern Trinktagebücher, erwarten alkoholfreie Tage und das Trinken von klar festgelegten Mengen. Nie soll Alkohol dazu dienen, Stress abzubauen. Das höchste Ziel ist demnach die Kontrolle über den Alkoholkonsum und ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Gesellschaftsdroge. Die Alkoholgefährdeten sollen lernen, ganz bewusst und achtsam mit Alkohol umzugehen. In kleinen Schritten wird gelernt, den Alkoholkonsum zunächst für kurze Zeiträume zu planen. Entscheidend dabei ist, dass die Mengen realistisch sind. Ziel ist also ein disziplinierter, geplanter und limitierter Alkoholkonsum. Selbstbestimmung ersetzt das nur schwer durchhaltbare Verbot. Natürlich kann kT auch ein Zwischenschritt zum völligen Alkoholverzicht sein.

Das Konzept des kontrollierten Trinkens ist nicht neu, es wurde in den sechziger Jahren in den USA und in Australien entwickelt. Einer der weitsichtigen Pioniere in Europa war Dr. Gottfried Sondheimer, Chefarzt der Forel-Klinik in Ellikon, der größten Fachklinik für die Behandlung von Alkoholkonsum und Medikamentenabhängigkeit in der Schweiz. Er entwickelte das sogenannte ABC-System. Harte Alkoholiker mit bereits bestehenden Hirn- und Leberschäden behandelt er konventionell mit totaler Abstinenz und ordnet sie der Gruppe A zu. In der Gruppe B wurden abhängige Alkoholkranke ein Jahr unter „begrenzter Abstinenz“ behandelt. Die Gruppe C führt der Therapeut ambulant und erlaubt kontrolliertes Trinken schon bei Therapiebeginn.
Sicherlich gehört die große Mehrheit, die zu viel Alkohol trinken, der Gruppe C an.

Die Therapie des kontrollierten Trinkens ist in Deutschland noch nicht so etabliert wie in anderen Ländern und die Kosten werden auch noch nicht von allen Krankenkassen übernommen. In der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden und England ist diese Therapieform deutlich bekannter. In England und in den Niederlanden ist Konsumreduktion bereits Standard. Abhängige, die zu einem Entzug stationär aufgenommen werden, haben die freie Entscheidung, ob sie gänzlich auf Alkohol verzichten oder die Alkoholmenge nur einschränken wollen. Ich halte das für einen Fortschritt.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.