Eisbaden – gesund oder gefährlich unsplash.com
Gesund mit Diehm

Eisbaden – gesund oder gefährlich

Rate this item
(0 votes)
Wieder einmal schwappt ein Trend aus den USA zu uns: Eisbaden. Die einen schwören darauf, die anderen warnen vor gesundheitlichen Gefahren. Was stimmt? Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm.
Bereits die Germanen sollen angeblich ihre Neugeborenen in kalten Fluten gebadet haben, um sie abzuhärten. Auch Goethe und Karl dem Großen wird nachgesagt, sie seien Anhänger eines Sprungs ins eiskalte Wasser gewesen. In Island, Finnland, Russland und China hat Eisbaden ebenfalls eine lange Tradition. Und Spitzensportler in aller Welt schwören auf die regenerative Wirkung des eiskalten Bades – insbesondere nach harten Wettkämpfen. Heute sind es jedoch die Promis aus den USA, die unabhängig von der Jahreszeit in den sozialen Medien Fotos von ihrem „künstlichen“ Eisbad posten und so einen neuen Trend losgetreten haben.

Nicht jeder ist ein Spitzensportler

Dazu gleich einmal vorab: Nicht jeder von uns ist ein Spitzensportler. Bilder von ganzen Fußballmannschaften beim gemeinsamen Eisbad nach einem anstrengenden Spiel, sollte uns nicht darüber hinwegtäuschen: Diese Sportler sind top-fit, top-trainiert und top-gesund. Gerade nach Ausdauerleistungen kann ein Eisbad bei ihnen durchaus die Regeneration verbessern.
Doch was ist mit den vielen anderen positiven Wirkungen, die dem im Eiswasser nachgesagt werden? Sie reichen von Abhärtung und Stärkung des Immunsystems über eine erhöhte Resistenz gegen Stress bis hin zu verjüngende Effekten. Sogar gegen eine Covid-19-Infektion soll ein Eisbad vorbeugend wirken, habe ich neulich gelesen.

Studien zeigen kaum Effekte

Gegen eine Covid-19-Infektion hilft kein Eisbad, sondern nur eine Impfung und das Einhalten der inzwischen bekannten Regeln. Das steht fest. Auch die anderen beschriebenen Effekte sind wissenschaftlich höchst umstritten. Aktuell kenne ich keine belastbare Studie, die diese Effekte belegt. Selbst die oftmals angeführte Abhärtung und der daraus resultierende Schutz gegen Erkältungen konnte bis heute nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen werden.

Unbestritten verengen sich die Gefäße in der Haut beim Eintauchen ins Eiswasser und die Blutbahnen im Körperinneren weiten sich. Denn der Körper versucht, seine Organe zu schützen und die Temperatur in seinem Inneren zu halten. Gleichzeitig sorgt der Kälteschock für einen Ausstoß von Adrenalin und anderen Stresshormonen. Das führt zu dem euphorischen Gefühl, von dem Eisbader immer berichten.

Seien Sie bitte vorsichtig

Fakt ist auf jeden Fall: Nicht jeder sollte und darf ohne vorherige Untersuchung ins Eiswasser steigen. Denn gerade bei Menschen mit einer – oft unerkannten – Vorerkrankung kann der Kälteschock sogar tödlich enden. Zahlreiche Fälle berichten von Menschen, die beim Eisschwimmen aufgrund des Schocks „erstarren“ und ertrinken. Vor allem bei Menschen, bei denen Herzprobleme bis dahin gar nicht diagnostiziert waren, kann die plötzliche Kälte außerdem zu Herzrhythmusstörungen oder gar zum Herzstillstand führen. Auch bei Bluthochdruck ist Vorsicht geboten.

Darum mein dringender Rat: Falls Sie das Eisschwimmen oder -baden unbedingt ausprobieren wollen, sollten Sie das vorher mit Ihrem Arzt abklären. Und fangen Sie bitte langsam an und gewöhnen Sie Ihren Körper an die ungewohnte Extrem-Belastung. Generell rate ich Ihnen aber ab. Eine kalte Dusche hat die nahezu gleiche Wirkung und dabei ist zumindest noch niemand ertrunken oder an einem Herzinfarkt gestorben.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.