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Gesund mit Diehm

Erschöpfungszustände – Wann wird´s gefährlich?

Dauermüde – das kennt wohl fast jeder. Doch Vorsicht, denn der Grat zu einer ernsthaften Erkrankung kann schmal sein. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm.
Momente der Erschöpfung sind ein normaler Bestandteil unseres Lebens. Einmal richtig ausschlafen, ein ausgiebiger Spaziergang an der frischen Luft oder ein paar Tage frei machen reichen häufig aus, um den Energiespeicher wieder aufzufüllen. Gerade bei älteren Menschen genügt das aber häufig nicht. Wenn dann die Erschöpfung zum Dauerzustand wird, ist ärztliche Hilfe gefragt.

Vorsicht, wenn eine Krankheit die Ursache ist

Mediziner sprechen bei chronischer Erschöpfung auch von CFS (englisch: chronique fatigue syndrome) oder myalgischer Enzephalomyelitis. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Krankheit, deren Entstehung derzeit noch erforscht wird.

Fest steht jedoch, dass eine ganze Reihe von Erkrankungen die Erschöpfung hervorrufen können. Das reicht von Infektionen und Erkrankungen der Schilddrüse über Schlafapnoe und Herzinsuffizienz bis hin zu Multipler Sklerose, Morbus Parkinson oder rheumatoider Arthritis. Auch bei Tumorpatienten wird häufig CFS diagnostiziert. Wer also unter chronischer Erschöpfung leidet, sollte unbedingt mit seinem Arzt darüber reden, damit dieser im ersten Schritt eine mögliche zugrundliegende Erkrankung ausschließen kann.

Wenn Überlastung der Grund ist

Ein weiterer Grund liegt in der für unsere Zeit leider so typischen Überlastung. Angefangen vom typischen Alltagsstress in der Familie oder im Beruf bis hin zu schwierigen Lebensphasen mit beispielsweise Trauer oder Trennung können sie dazu führen, dass Erschöpfungszustände eben nicht nach einer kurzen Phase der Erholung verschwinden.
Schnell heißt es dann, Depressionen seien die Ursache für die Erschöpfung. Dem möchte ich jedoch widersprechen. Meistens sind Depressionen nicht der Grund, sondern vielmehr eine typische Folge des Erschöpfungszustands. Was natürlich ihre Gefährlichkeit nicht im Geringsten mindert.

Bitte kein „Burn-out“

Laut einer Studie einer namhaften deutschen Krankenkasse aus dem Jahr 2016, bezeichneten sich 6 von 10 Deutschen als „gestresst“. Jeder zweite Arbeitnehmer gab als Ursache ein zu hohes Arbeitspensum an. Und insgesamt – so die Untersuchung – sind allein bei uns in Deutschland rund 9 Millionen Menschen betroffen. Oftmals wird dieser Zustand dann auch als Burn-out beschrieben – ein Begriff, den ich bisher übrigens ganz bewusst vermieden habe.

Schon vor geraumer Zeit hat die Stiftung Deutsche Depressionshilfe vor dem inflationären Gebrauch des inzwischen zu Modewort gewordenen „Burn-out“ gewarnt, weil er die oftmals zugrundliegende depressive Erkrankung unzulässig verharmlost und eine Selbstüberforderung oder Überforderung von außen suggeriere. Dem möchte ich mich gern anschließen. Denn eine Depression ist eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, die man eben nicht mal eben mit Ausschlafen oder einem Kurzurlaub „heilen“ kann.

Was kann man dagegen tun? Eine spezifische Behandlung des chronischen Müdigkeitssyndroms gibt es nicht. Empfohlen wird Intervall- und Ausdauertraining. Psychologen empfehlen eine kognitive Verhaltenstherapie. Kleine Hilfen im Alltag können sein: Kalt abbrausen, kalte Armgüsse, viel an die frische Luft, eine Siesta am Nachmittag und hin und wieder ein Espresso.

Abschließend darum mein Ratschlag: Sollte ein Erschöpfungszustand bei Ihnen über längere Zeit anhalten und keine Ursache haben, die Sie sich selbst erklären können, dann reden Sie bitte unbedingt mit Ihrem Arzt darüber.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.