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The way of life – Wenn der Alkohol unser Leben bestimmt

Alkohol gehört zum gesellschaftlichen Beisammensein, wie ein gutes Essen oder gute Musik. Manchmal wird er jedoch nicht nur zum Genuss oder zur Auflockerung eingesetzt, sondern dient zunehmend der Erlangung eines Rauschzustands, aus dem so mancher nicht mehr aufwacht. Viele Stars, wie die jüngst verstorbene Amy Winehouse, geben hier ein sehr negatives und abschreckendes Beispiel. Doch wie kommt man so weit, und warum ahmen manche diese vermeintlichen Idole nach? Im Gespräch mit Prof. Dr. Felix Tretter sind wir einigen dieser Fragen auf den Grund gegangen…

Der plötzliche Tod von Amy Winehouse kam für die Fans der Sängerin überraschend. Dabei litt die Interpretin seit längerer Zeit unter ihrer Alkoholabhängigkeit. Die genauen Umstände ihres Todes sind bis zum heutigen Tag unklar. Es wird allerdings gemutmaßt, dass sie ihrer Sucht erlag. Für viele Menschen ist es sehr schwer nachvollziehbar, wie leichtsinnig manche Prominente mit ihrer Gesundheit umgehen. „Diese Menschen leiden unter erheblichem Druck, denn sie kommen oft schon in jungen Jahren in eine Industrie, in der sie meist gnadenlos instrumentalisiert werden“, sagt Prof. Dr. Tretter, Leiter der Suchtabteilung des Isar-Amper-Klinikums München Ost, der sich unter anderem seit mehreren Jahren mit Sucht, Kreativität und Rockmusik befasst hat. Wie weit es mit dem Konsum gehen kann, zeigt sich nicht allein in der Tragödie um Amy Winehouse. Besonders die Umstände, von denen solche Schicksale geprägt sind, sind oft mysteriös und nur schwer nachvollziehbar. Ähnlich diffus verhält es sich mit dem Weg in die Abhängigkeit, der sich oftmals nicht einfach erklären lässt.

Der medizinische Blickwinkel: Alkoholsucht per Definition

Alkoholsucht lässt sich nur ungenau fassen. In der Medizin wird zwischen Abhängigkeit und schädlichem Gebrauch unterschieden.

Beim schädlichen Gebrauch liegen körperliche, psychische und soziale Schäden vor, trotz derer weiter Alkohol konsumiert wird. Der Betroffene isoliert sich immer stärker von der Gesellschaft, weil er seine gesamte Konzentration auf den nächsten Schluck Alkohol fokussiert. Dies stellt ein deutliches Zeichen von psychischer Abhängigkeit dar.

Darüber hinaus gibt es bei manchen Betroffenen eine psychische Unfähigkeit, den alkoholischen Konsum zu kontrollieren, also den Kontrollverlust. Beispielsweise kann der Abhängige nicht mehr steuern, wann und wie viel Alkohol er trinkt. Bereits tagsüber wird er von einem Alkoholverlagen gequält, und nach dem Konsum kleiner Mengen an Alkohol kann er nicht mehr aufhören, bis er stark betrunken ist. Bei schweren Formen der Alkoholabhängigkeit, die sich vor allem körperlich äußert, liegen Entzugserscheinungen vor, wie zum Beispiel Zittern, Schwitzen und Herzrasen. Es kann sogar bis zu einem epileptischen Anfall oder zu einem Delirium tremens kommen.

Warum betrinken sich unsere vermeintlichen Vorbilder?

Es gibt prinzipiell vier medizinisch fundierte Ursachen, auf die wir ganz grob eingehen wollen:

-          Es sind biologische Faktoren vor allem in Form genetischen Veranlagung wirksam, die sich über eine besondere Empfänglichkeit für Alkohol ausdrückt.

-          Darüber hinaus beeinflusst auch die Persönlichkeit des Betroffenen bzw. wie dieser Erlebnisse verarbeitet das Risiko zu einer Suchtentwicklung. Außerdem bieten auch psychische Traumatisierungen einen Nährboden für die Sucht.

-          Als weiterer Einflussfaktor gilt die Umwelt, beispielsweise familiäre Probleme und bestimmte Party- und Trinkkulturen.

-          Letztlich sind auch Eigenschaften der Suchtstoffe und die Art ihrer Anwendungen unterschiedlich stark suchtfördernd.

Für das Verständnis des Einzelfalls ist von einer komplexen Konstellation dieser Faktoren auszugehen. Im Falle von Amy Winehouse beispielsweise sind viele Faktoren zu betrachten: Man sah die Künstlerin oftmals betrunken und neben sich auf der Bühne. Da war der Gedanke, dass sie auf diese Weise den Erwartungsdruck bekämpfen wollte, nicht weit weg. Und tatsächlich gehört die Verarbeitung von Stress zu einer der Ursachen, die in der Medizin abgebildet werden: „Wurde der Alkoholrausch vormals als positiver und angenehmer Effekt wahrgenommen, so wird er auch gerne zur Stressreduktion eingesetzt“, sagt Prof. Dr. Tretter. „Man sollte sich allerdings auf eine solch einfache Begründung nicht einlassen, vor allem bei Künstlern werden Alkohol und Rauschgift aus den unterschiedlichsten Gründen konsumiert. Viele verwenden ihn beispielsweise, um ihre Kreativität zu steigern – in Musikerkreisen ist es beispielsweise nicht unüblich, während gewisser Produktionsphasen zur Flasche zu greifen. Bei Weltstars ist häufig über Jahre ein Alkohol- und Rauschgiftkonsum auf hohem Niveau zu beobachten, unter anderem um die eigene Performance aufrecht zu erhalten bzw. zu verstärken. Man darf auch nicht vergessen, dass bei Abhängigkeit von Alkohol bei einem Entzug unangenehme, stressauslösende Folgen vorliegen. Eine Amy Winehouse kann also auch getrunken haben, um über das 1-2 Stunden dauernde Konzert, Entzugssymptome zu bekämpfen.“

Sex, drugs and Rock’n‘Roll – Way of life oder der Weg ins Grab?

Die Psyche des Menschen scheint sehr fragil zu sein und von allen Seiten gefährdet. Und dennoch erhalten zügellose Besäufnisse und das Einnehmen von Drogen Kultstatus. Man hat den Eindruck, dass es in der heutigen Partygesellschaft zur üblichen Performance gehört, wie ein Rockstar zu feiern. Man fragt sich oft, warum manche ihnen nacheifern, obwohl wir sie in der Öffentlichkeit mit ihrem Konsum regelrecht Selbstmord begehen sehen. Eine Annahme besagt, dass in einer immer schneller werdenden Zeit viele unserer Grundfesten verschoben werden. Sieht man beispielsweise einen Basejumper von einer 1000 Meter hohen Felswand ins Nichts springen, so fragt man sich, weshalb das Extreme immer mehr zu unserem Leben gehört. Hat man früher beispielsweise den Grund für die eigene Existenz in der Religion gefunden, erlebt man diesen immer häufiger in Dingen, die das eigene Leben auf´s Spiel setzen. Je näher man der Grenze zum Sterben kommt, desto genauer weiß man, warum man leben möchte. Beim Basejumper ist es eine einfache Rechnung: Man überlebt, oder eben nicht. Beim Alkoholkonsum erliegt man zunächst einem anderen Tod, dem der körperlichen und psychischen Sucht. Denn zwischen exzessivem Genuss und der Sucht ist nur eine Haaresbreite, und die Grenze ist letztendlich fließend. Und vor allem viele Jugendliche verwechseln das wahrhafte Leben mit einem vorübergehenden Rausch, dessen Folgen sie ein ganzes Leben lang beeinträchtigen können. „Man spricht hier tatsächlich von einer Party- und Rauschkultur, die allein aus der gesellschaftlichen Haltung heraus erfolgt. Hier fungieren viele Berühmtheiten auch als verstärkendes Negativ-Vorbild. Man möchte vielleicht unbewusst so leben, wie die ganz Großen, weil diese augenscheinlich das Leben in vollen Zügen genießen. „Betrachtet man beispielsweise einige Musikrichtungen genauer, dann fällt auf, dass das exzessive Leben und der damit verbundene Konsum stimulierender Substanzen einfach dazu gehört“, sagt Prof. Dr. Tretter.

Gibt es ein Entrinnen aus der Sucht?

So leicht, wie man in eine Sucht reinrutscht, so schwer kann man sich ihr wieder entziehen. Der Weg bei schwer Suchtkranken ist beschwerlich und meist eine Lebensaufgabe, die mit Rückschlägen und Entbehrungen gepflastert ist. Wie oft hören wir in den Medien, dass jemand wieder rückfällig geworden ist und wieder eingewiesen wurde. Aber es gibt auch Hoffnung: „Eric Clapton, beispielsweise hatte multiple Suchtprobleme und hat mit Hilfe von Entzugstherapie und Selbsthilfegruppen seine Sucht besiegt. Viele Prominente gehen sogar einen Schritt weiter, weil sie sich berufen fühlen, aus ihren Erfahrungen heraus jüngeren Kollegen zu helfen. Hier hat sich der Gitarrist Pete Townshend engagiert. Auch David Bowie, ehemals stark Kokain abhängig, hat seine Sucht im Nachhinein sehr kritisch gesehen.“ Um zu derartigen Haltungen zu kommen, führt der Weg aber über steinerne Pfade. Selbsterkenntnis und Selbstreflexion gehören genauso dazu, wie ein starker sozialer Rückhalt und ärztliche Hilfe. Das wohl härteste Ziel ist eine lebenslange Abstinenz. Denn es ist unvergleichbar schwer und beinahe unrealistisch für einen ehemaligen Alkoholiker, jemals wieder kontrolliert trinken zu können. „Unser Gehirn ist nämlich selbst nach Jahren und Jahrzehnte der Abstinenz in der Lage binnen weniger Tage nach dem Konsum von Suchtmitteln, den gleichen Appetit auf Suchtmittel aufzubauen, wie zu den stärksten Suchtphasen“, erläutert Dr. Tretter.

Das Problem an der Wurzel packen

Und wie gelangt man erst gar nicht in den Sog der Alkoholsucht? Das Zauberwort hier ist die Selbstdisziplin. Man muss mit seinen Bedürfnissen sehr aufmerksam umgehen. „Freut man sich schon auf das Bierchen am Abend und kriegt man sein Mittagessen ohne ein Glas Wein nur schlecht runter, dann sind dies schon erste Anzeichen für ein leichtes Suchtverhalten“, erklärt Dr. Tretter. Es ist letztendlich ein Erziehungsauftrag an uns und für uns selbst. Sind wir daran interessiert ein maßvolles und gesundes Leben zu führen, dann gilt es den Alkoholgenuss zu minimieren. Man sollte ihn für besondere Anlässe aufsparen und den Konsum nicht zu einer Gewohnheit werden lassen. Denn dann ist ein schleichender Alkoholismus nicht weit entfernt. Verträgt man erst einmal ein wenig mehr, dann braucht man auch ein wenig mehr. Aus den zwei Bieren werden drei, dann vier, dann fünf …Es ist letztendlich ein Stufenprogramm, dass sich irgendwann verselbstständigen kann und nicht mehr vom Betroffenen zu kontrollieren ist. Deswegen ist es ratsam, sein Verhalten stets zu überdenken. Trink ich noch ein Bier, weil´s gerade schmeckt? Wenn ja, dann sollte man vielleicht eine alkoholfreie Variante trinken. Eigentlich logisch, aber trotzdem einen Hinweis im Land der Biere wert: Pils, Weizen und Helles sind keine Durstlöscher! Steht man an der Theke, sollte man sich für den ersten Durst immer zuerst für das klassische Wasser entscheiden. Und so gibt es viele kleine Details und Abwege, die man besser nicht übersehen sollte. Wichtig ist es, sich wirklich jeder auch noch so kleinen Entscheidung in Sachen Alkoholkonsum gewahr zu sein und auch wenn es schwer fällt, immer darüber nachzudenken, ob das Gläschen, dass man sich gerade gönnt, in Ordnung geht.

Wo gibt es Hilfe?

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) - Infotelefon zur Suchvorbeugung: (02 21) 89 20 31

 

 

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