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Experteninterview

Was ist eigentlich gesunde Ernährung?

Sich gut und gesund zu ernähren, ist eigentlich ganz einfach. Was aber ist gutes und gesundes Essen? Einfache Antworten auf diese Fragen hat Prof. Dr. Volkmar Nüssler vom Tumorzentrum München in unserem Gespräch über richtiges Einkaufen, richtiges Kochen und das richtige Essen selbst.
gesuendernet.de: Herr Professor Nüssler, wir handeln hier gerne nach dem Leitspruch: „Erst denken, dann essen!“ Würden Sie diesem Satz zustimmen?

Prof. Dr. Nüssler: Grundsätzlich trifft er den Kern der Sache. Aber ich kontere gewissermaßen mit Ludwig Feuerbach: „Der Mensch ist, was er isst“, hat der gesagt. Und da wir uns unsere Nahrung heute einkaufen, ist der Einkauf selbst inzwischen auch eine große Herausforderung geworden. Wie können wir erkennen, welche Qualität ein Lebensmittel hat? Heute wird ja auch mit allerlei Zusatzstoffen getrickst, um gute Qualität der Produkte vorzutäuschen. Eigentlich ist es aber ganz einfach, schließlich ist gute Qualität auch an bestimmte Faktoren gekoppelt. Beim Fleisch geht es um die Aufzucht der Tiere, um ihre Haltung, ihr Futter, Transport und Tötung oder, im Falle von Fisch, auch um die Fangmethoden. Wird hier artgerecht und verantwortungsvoll gehandelt, ist neben der Gewährleistung ethischer Grundsätze auch die Qualität der Nutztiere signifikant meist höher.

gesuendernet.de: Bleiben wir doch kurz beim Fleisch. Welches Fleisch ist denn das gesündeste?

gesundes-essenProf. Dr. med. Volkmar Nüssler ist geschäftsführender Koordinator am Tumorzentrum MünchenProf. Dr. Nüssler: Es ist nur logisch, dass Wildfleisch am gesündesten ist. Die Inhaltsstoffe, die es liefert, sind häufig wertvoller und umfangreicher als jene, die unsere Nutztiere bieten. Wenn man sich schon für Fleisch entscheidet – das sollte immer in moderaten Mengen zu sich genommen werden –, sollte man folglich zu Fleisch aus artgerechter Haltung oder zum Wild greifen, sofern dieses in einer intakten Umwelt aufgewachsen ist. Dadurch sind auch die ethischen Ansprüche beim Wildtier am ehesten erfüllt. Es hatte ein gutes Leben und wird ohne Stress getötet. Vorausgesetzt, der Jäger versteht sein Handwerk und kann auch schießen.

gesuendernet.de: Kann man sich dabei den üblichen Ernährungsempfehlungen von Ernährungsberatern oder auch von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren?

Prof. Dr. Nüssler: Ja, diese Empfehlungen geben im Großen und Ganzen einen guten Rahmen vor. Wenn dort allerdings empfohlen wird, weißes Fleisch, also Geflügel, dem roten Fleisch vorzuziehen, dann geht das meines Erachtens etwas am Kern der Sache vorbei. Prinzipiell sollte man aber generell nicht mehr als drei Portionen Fleisch oder mehr als 500g pro Woche davon zu sich nehmen, weil sich das negativ auf die Darmgesundheit auswirken kann. Beim Fleisch geht es, wie eingangs erwähnt, vorwiegend um die Haltung und Aufzucht der Tiere. Darauf gilt es zu achten, somit auch auf die Qualität. Dann ist richtige Ernährung eigentlich ganz einfach.

gesuendernet.de: Welche Probleme gibt es beim Einkaufen heutzutage noch?

Prof. Dr. Nüssler: Lebensmittelskandale. Gammelfleisch, Ehec, Dioxin. Man fragt sich heute doch, was man überhaupt noch essen kann. Das verunsichert die Verbraucher zusehends. Das ist auch ein Grund, warum immer mehr Verbraucher zu Convenience Produkten greifen. Also zu solchen Produkten, die abgepackt sind, bei denen eine Scheibe Käse der anderen gleicht. Dabei sollte man doch versuchen, möglichst viele unverarbeitete Produkte zu kaufen und auf solche mit Zusatzstoffen zu verzichten. Die sind nun mal von der Natur aus nicht in unserer Nahrung vorgesehen. Zumal nebenbei noch viele Abfallprodukte wie Plastik dabei entstehen. Was Tiefkühlkost hingegen angeht, zumindest im Fall von Tiefkühlgemüse, ist zu sagen, dass deren Schockfrostung häufig vitaminschonender ist, als Gemüse tagelang bei sich zu Hause zu lagern. Und bei der TK-Ware gibt es auch Produkte, die komplett ohne Zusatzstoffe auskommen.

gesuendernet.de: Was kann ich als Verbraucher tun, wie kaufe ich richtig ein?

Prof. Dr. Nüssler: Regional und möglichst nachhaltig einkaufen. Regional muss man hier nicht näher erläutern, nachhaltig bedeutet letztlich ein Dreiklang aus ökologischem Gleichgewicht, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Gleichgewicht zwischen Produzent und Verbraucher. Dabei helfen Siegel wie Fairtrade oder Bio. Diese stellen einen guten Anfang dar. Das sollte man versuchen, als Endverbraucher in den Griff zu bekommen. Ein Produkt, das billig ist, kann nun mal nicht gut sein – weder für den Verbraucher, noch für den Produzenten und im schlimmsten Fall auch nicht für die Nutztiere. Andererseits kostet es Sie auch nur etwa 20 Euro im Jahr mehr, wenn Sie von Eiern aus Freilandhaltung gleich ganz auf Bio-Eier umsteigen. Bio-Produkte werden ohne Pestizide hergestellt. Diese, wissen wir inzwischen, sind mitverantwortlich für das Bienensterben. Bienen sind aber ein wesentlicher Bestandteil unseres Ökosystems. Wenn Sie Fisch kaufen, können Sie auch mal schauen, welcher Fisch aus Ihrer Region auf dem Markt ist. Es muss nicht immer Meeresfisch sein. Und ganz klar muss sein, dass Massentierhaltung bzw. nicht-artgerechte Tierhaltung keine Option ist. In diesem Umfang, wie wir heute unsere Umwelt nutzen, ja sogar ausnutzen, muss jeder einzelne auch darüber Bescheid wissen, was man damit anrichtet.

gesuendernet.de: Wie sieht es bei den Getränken aus?

Prof. Dr. Nüssler: Ganz einfach: Auf die gezuckerten Getränke verzichten. Das ändert bereits viel und das sollte auch jeder wissen. Da liegt heute aber ein ganz generelles Problem. Die Menschheit sammelt immer mehr Wissen an, der einzelne Mensch an sich verliert aber sein Wissen in Sachen Ernährung immer mehr. Und das liegt auch an der Industrie.

gesuendernet.de: Kommen wir zum zweiten Aspekt des gesunden Essens: das Kochen. Wie kocht man richtig bzw. gesund?

Prof. Dr. Nüssler: Kochen muss man lernen, sonst wird’s nix, mit der gesunden Ernährung! Am besten in einer Kochschule. Da gibt es eine Unzahl an Angeboten. Für Patienten empfiehlt es sich, sich in einer Ernährungsberatungsstelle zu informieren, welche Kochschule für die entsprechende Lebenssituation geeignet ist.

gesuendernet.de: Haben Sie da einige Tipps auf Lager?

Prof. Dr. Nüssler: Es gibt da in der Tat ein paar einfache Regeln, die man beachten sollte. Brät man mit Teflonpfannen, benötigt man etwas weniger Fett. Man sollte natürlich nicht ganz auf Fett verzichten, schließlich benötigt unser Körper es auch. Aber inflationär sollte man es nicht verwenden. Dazu sollte man vor allem Gemüse vitaminschonend kochen, so dass die wichtigen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Das bedeutet, das Gemüse entweder nicht zu lange zu kochen oder lieber kurz anbraten oder am besten dünsten. Austretende Säfte der Zutaten kann man beim Kochen hervorragend weiterverwenden, zum Beispiel als Basis für Soßen oder Suppen. So verwertet man noch mehr Inhaltsstoffe aus den Produkten. Prinzipiell sollte man lieber etwas weniger Salz zum Kochen verwenden, als zu viel. Falls einem dann die nötige Würze fehlt, kann man mit frischen Kräutern mehr Geschmack und eine andere Note ans Essen bringen. Wenn man dann noch auf die nötige Hygiene beim Kochen achtet und auch seine Reste sinnvoll verwertet, dann hat man schon viel erreicht in Sachen gesund und ausgewogen kochen.

gesuendernet.de: Und wie sieht es mit dem Essen selbst aus? Worauf sollte man dabei schließlich achten?

Sich Zeit dafür nehmen! Das ist die oberste Maxime. Das Essen gut zu kauen ist wichtig, genau wie die Lust auf geschmackliche Vielfalt. Um Übergewicht vorzubeugen, sollte man auf sein Sättigungsgefühl achten. Aber letztlich sollten wir uns beim Essen wohlfühlen. Dazu gehört auch, dass man das Essen schön anrichtet, gemeinsam mit der Familie isst und die schöne, hoffentlich ruhige, Atmosphäre genießt. Wenn es uns gut geht, fördert das eben auch unser Wohlbefinden.