Natürlich fällt es schwer, das eigene Verhalten zu ändern. Aber: viele Gewohnheiten schädigen unsere Gesundheit. Rauchen, zu fett und zu viel essen, süße Limonaden trinken, wenig schlafen – alles Dinge, die wir nicht tun sollten, die aber zuweilen tief in unserem täglichen Lebensstil verankert sind.
Aber wie die Macht der Gewohnheit austricksen? An diesem Punkt kommen für mich Rituale ins Spiel – Rituale, die für unsere Gesundheit förderlich sind. Gesunde Rituale können im täglichen oder wöchentlichen Ablaufplan fest integriert werden. Schon der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry hat gesagt: „Ein Ritual ist in der Zeit das, was im Raum eine Wohnung ist.“
Rituale wirken dem Effekt entgegen, den wir von guten Vorsätzen für das neue Jahr kennen. Kurz vor Silvester beschlossen, ab dem 7. Januar vergessen. Eine Ritualisierung birgt die Chance, unsere Lebensweise tatsächlich und nachhaltig zu verbessern.
Schon der Begriff „Ritual“ weist darauf hin, dass es mit einer einmaligen Anwendung nicht getan ist. Aus der Verhaltensforschung wissen wir, dass wir eine neue Sache etwa 30 bis 50 Mal wiederholen müssen, bis wir sie verinnerlicht haben, bis sie in Fleisch und Blut übergegangen ist. Der Weg, der aus einer bestimmten Verhaltensänderung eine Gewohnheit macht, ist lang und oft steinig. Egal wie: Gesunde und gute Gewohnheiten bewahren uns vor allem in stressigen Zeiten davor, ungesund zu reagieren. Gerade dann können uns Automatismen wirksam schützen. Deshalb sind Rituale meiner Meinung nach besser als Vorsätze. Denn Vorsätze fühlen sich ein wenig nach Zwang an, bei Ritualen dagegen schwingt mit, dass man Sinnvolles gerne tut.
Rituale helfen auch bei der Medikamenteneinnahme, indem sie die Adhärenz verbessern. Unter Adhärenz verstehen Mediziner die Frage, wie regelmäßig Menschen die vorgeschlagene Therapie auch wirklich anwenden. Hat eine sinnvolle und gesunde Maßnahme einmal Ritualcharakter, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich sie auch regelmäßig anwende. Rituale besitzen dann eine Symbolkraft.
Auch Hirnforscher wie Ernst Pöppel raten zur Ritualisierung: „Der Tag an sich muss inszeniert werden“.
Man muss sich einfach angewöhnen, bestimmte Dinge an bestimmten Tagen zu erledigen. Schließlich essen, arbeiten und schlafen wir auch zu bestimmten Zeiten, ohne darüber nachzudenken. Körperliche Aktivitäten beispielsweise sollte so selbstverständlich werden wie Zähneputzen und Frühstücken. Auch unser Gehirn spart kognitive Ressourcen durch Routineabläufe.
Für Kinder sind Rituale besonders wichtig. Sie geben ihnen Sicherheit und fördern ihre Selbstständigkeit. Das gilt von der Kita bis zum Schulabschluss. Gerade für Kinder und Jugendliche sind Rituale wichtige Autopiloten im Hintergrund.
Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, welche neuen Rituale er in sein Leben einbauen möchte. Nur ein paar Beispiele:
• Sport zu bestimmten Zeiten.
• Das morgendliche Zeitunglesen bei einer Tasse Kaffee.
• Ein Spaziergang im Wald oder im Park zu einer festen Zeit oder kurz vor dem Schlafengehen.
• Im Winter ganz besonders empfehlenswert: Regelmäßige Saunabesuche.
• Ein Apfel pro Tag.
• Das Abendessen an einem bestimmten Tag pro Woche ausfallen lassen.
• An bestimmten Tagen nur Gemüse essen.
• Einmal am Wochenende mit der ganzen Familie zu einem festen Zeitpunkt ein gemeinsames Essen veranstalten.
• Bewusst Festtage nach bestimmten, wiederkehrenden Regeln zelebrieren.
• Kniebeugen oder Balanceübungen auf dem Wackelbrett beim Zähneputzen.
• Einfach mal was mit der anderen Hand machen.
• Wer schlecht schläft, sollte einen fixen Ablauf für die letzten Handlungen vor dem Zubettgehen einüben. Egal ob Buch oder Badewanne, Musik, Tee, Yoga oder ein Spaziergang: Entspannungs- rituale bereiten den Körper auf die Nacht vor.
Mein gesundes Ritual am Morgen: Ich mache mir ein Glas mit zwei Esslöffeln Leinöl (aus dem Kühlschrank), ferner einer ausgepressten Zitrone und einem gehäuften Esslöffel einer Mischung aus Flohsamenschalen und Chiasamen.
Das Glas fülle ich mit Orangen- oder Karottensaft auf. Den Inhalt muss ich zügig trinken, weil die Flohsamen schnell gelieren. Anschließend trinke ich zwei große Tassen schwarzen oder grünen Tee. Das ist ein medizinisch begründbarer „Rundumschlag“ für das Herz und die Gefäße, da es den Tagesbedarf an Omega-3-Fettsäuren deckt und ideal für den Dickdarm und eine gute Verdauung ist.
Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.