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Krampfadern - Volkskrankheit mit zunehmender Tendenz

Krampfadern sind weitverbreitet in der deutschen Bevölkerung. Was genau dahintersteckt, erklärt Prof. Dr. med. Curt Diehm in seinem dieswöchigen Gastbeitrag.
Venenerkrankungen gehören nach Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation zu den häufigsten Krankheiten überhaupt, sie sind zu einer Zivilisationskrankheit mit zunehmender Tendenz geworden. Allein in Deutschland leiden rund 32 Millionen Menschen unter leichten Venenbeschwerden. Blieben diese unentdeckt und kommen sogar noch weitere Risikofaktoren hinzu, schreitet die Erkrankung unaufhaltsam fort. Viel zu oft sind Venenkrankheiten früher als Lappalie abgetan worden. Krampfadern oder Varizen, wie man sie in der medizinischen Fachsprache nennt, sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Menschen mit Krampfadern haben ein viel höheres Risiko für Thrombosen und Embolien.

Wie häufig sind Venenerkrankungen

  • Jede 2. Frau und jeder 4. Mann in der Bundesrepublik haben Krampfadern.
  • Jeder 8. Erwachsene ist von einer bereits fortgeschrittenen chronischen Venenerkrankung betroffen.
  • Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben ein offenes Bein ("Ulcus cruris") nach meist durchgemachten Thrombosen.
  • Die Zahl der tödlichen Lungenembolien pro Jahr wird in Deutschland auf über 30.000 geschätzt, damit nimmt die Lungenembolie in der Todesursachenstatistik unverändert den 3. Platz ein.

Die Gründe für Venenerkrankungen liegen hauptsächlich in unserer ungesunden, bewegungsarmen Lebensweise. Hinzu kommen Übergewicht, zu enge Hosen und Strümpfe, langes Sitzen oder Stehen und ballaststoffarme Ernährung. Allen voran aber steht die erbliche Veranlagung. Bei über 90 Prozent aller venenkranken Patienten besteht eine familiäre Veranlagung. Ganz ohne familiäre Disposition entstehen nur selten Krankheiten des oberflächlichen Venensystems.

Auch Hormone, hier die Östrogene und Gestagene, können sich ungünstig auf Patientinnen auswirken, die bereits ein Venenleiden haben. Dennoch muss wegen eines Venenleidens nicht immer auf die "Pille" verzichtet werden. Empfehlenswert sind allerdings Präparate mit einem niedrigen Östrogenanteil. Ein weiterer Risikofaktor ist das Alter. Es ist unbestritten, dass in zunehmendem Alter die Anzahl und Ausprägung der Venenerkrankungen ansteigen.

Venen sind Schwerstarbeiter

Die Hauptaufgabe der Venen im Blutkreislauf besteht darin, das sauerstoffarme und von Nährstoffen entladene Blut in den peripheren Organen wie Muskeln, Haut und Knochen zu sammeln und zum Herzen zurückzutransportieren. Neben der Aufgabe des Rücktransportes haben die Venen noch eine wichtige andere Aufgabe. Sie dienen als Speicherorgan für das Blut. Über 80 Prozent der gesamten Blutmenge werden in den Venen gespeichert. Die dritte große Aufgabe des Venensystems ist die Wärmeregulation des Organismus. Wir unterscheiden zwischen einem oberflächlichen und einem tiefen Venensystem. Die oberflächlichen Venen, die an Armen und Beinen zum Teil gut sichtbar sind, verlaufen direkt unter der Hautoberfläche und über der Bindegewebsmuskelhülle. Unter normalen Bedingungen werden etwa 90 Prozent der venösen Gesamtblutmenge über das tiefe, und nur 10 Prozent über das oberflächliche Venensystem abgeleitet.

Venenklappen bestimmen die Flussrichtung des Blutes

Damit das Blut in den Venen stets in die richtige Richtung fließt, gibt es Venenklappen, die den Blutfluss regulieren. Venenklappen finden sich sowohl im oberflächlichen als auch im tiefen Venensystem in großer Zahl. Wenn der Venenklappenapparat intakt ist, entsteht praktisch eine „Einbahnstraße zum Herzen“. Wenn Venenklappen anlagebedingt fehlen oder durch eine Venenerkrankung zerstört werden, kommt es zu einem Blutrückfluss mit krankhaften Erscheinungen wie Krampfadern.

Wie machen sich Krampfadern bemerkbar?

Die wichtigsten und häufigsten Krankheitszeichen sind schwere, müde Beine (vor allem in der warmen Jahreszeit), Spannungsgefühl in den Beinen, geschwollene Unterschenkel und Knöchel, besonders abends Beschwerdezunahme bei längerem Stehen oder Sitzen und bei Wärme. Schon durch ein Krampfaderleiden alleine, d.h. es müssen gar keine Thrombosen im tiefen Venensystem abgelaufen sein, können sich Ernährungsstörungen der Haut einstellen. Die Haut kann sich bräunlich verfärben und kann sich verdicken. In fortgeschrittenen Fällen kann die Haut so verändert werden, dass Unterschenkelgeschwüre oder ein "offenes Bein" entstehen. Das venöse Beingeschwür ist oft das Endstadium einer chronischen Venenerkrankung.

Der Heilungsverlauf einer Thrombophlebitis kann durch das Entfernen des Gerinnsels durch Eröffnung der entzündeten oberflächlichen Venen in örtlicher Betäubung erheblich beschleunigt werden. Sofortmaßnahmen bei Krampfaderruptur sind Hochlagerung des Beines, saubere, am besten sterile Wundauflage und Druckverband sowie ein sofortiges Rufen oder Aufsuchen eines Arztes.

Medikamentöse Therapie

Für Patienten mit Krampfadern gilt die SSS- und LLL-Regel: SITZEN UND STEHEN IST SCHLECHT, LIEBER LIEGEN ODER LAUFEN.

Weitere therapeutische Tipps sind:

  • Gewicht fällt ins Gewicht. Je mehr Last Beine zu tragen haben, um so mehr belasten sie. Versuchen Sie, unnötige Pfunde loszuwerden.
  • Trinken Sie pro Tag mindestens 2 Liter, im Sommer 3 Liter. Achten Sie darauf, dass die Getränke nicht zuviel Kochsalz enthalten.
  • Ernähren Sie sich gesund und faserreich. Chronische Verstopfung muss bekämpft werden. Starkes Pressen beim Stuhlgang ist ein wesentlicher Faktor der Krampfaderneubildung.
  • Vermeiden Sie das Tragen überschwerer Lasten.
  • Vermeiden Sie enge Kleidung (enge Hosen, straffe Mieder, Strumpf- und Gummibänder, enge Gürtel).
  • Tragen Sie flaches, bequemes Schuhwerk, keine spitzen Schuhe mit hochhackigen Absätzen. Am günstigsten sind ein leicht erhöhter Absatz und eine gute Fußbetteinlage. Barfuss gehen ist gesund, wenn nicht zusätzlich eine arterielle Verschlusskrankheit der Beine oder eine Zuckerkrankheit vorliegt.
  • Richtig Sitzen - besonders am Schreibtisch. Am besten wenig gepolsterter Stuhl, Unterseite der Oberschenkel wenig Druck belasten. Füße nicht baumeln lassen, flach auf den Boden oder auf Fußstütze stellen.
  • Vermeiden Sie Alkohol und Nikotin im Übermaß.
  • Die Beine öfter kalt (nicht eiskalt) abduschen. Wechselduschen mit kaltem (10 - 16 Grad) und warmem Wasser (38 Grad) sind eine Wohltat für die Beine. Führen Sie den Wasserstrahl außen am Bein hoch bis zur Leiste. Wiederholen Sie den Vorgang auf der Innenseite. Wechselwarme Anwendungen sollten immer mit kaltem Wasser beendet werden. Auch Kneipp'sches Wassertreten tut Ihren Venen gut.
  • Ungünstig ist alles, was die Venen erweitert: Heiße Bäder, ausgiebige Sonnenbestrahlung, zu lange Saunagänge. Generelle Empfehlung: Hitze und pralle Sonne meiden.
  • Bei Besenreiservarikosis Bürstenmassagen vermeiden.
  • Hoch das Bein! Nehmen Sie sich tagsüber und am Abend die Zeit, die Beine ab und zu hochzulegen. So wird der Rückfluss Ihres Blutes gefördert.
  • Bei ganz ausgeprägten Schwellungen der Beine, sollten Sie auch nachts die Beine hoch lagern. Stellen Sie das Fußende des Bettes einfach um 3 - 5 cm hoch.
  • Wenn vom Arzt verordnet, täglich konsequent Kompressionsstrümpfe tragen. Am besten bereits vor dem Aufstehen anlegen.
  • Das gleiche gilt auch für die Einnahme eines Venenmedikamentes. Nur bei täglich konsequenter Einnahme können Sie einen maximalen Effekt erzielen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.






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