Winterdepression – Wenn das Wetter auf das Gemüt schlägt pixerlio.de/Wolfang Pfensig

Winterdepression – Wenn das Wetter auf das Gemüt schlägt

Wenn die Tage kürzer, dunkler und kälter werden, schlägt das auf die Stimmung. Antriebslos trotten wir durch den Alltag und würden uns am liebsten in den eigenen vier Wänden verkriechen. Aber wie kommt das und was ist zu beachten, damit sich aus einem kleinen Stimmungstief keine ernstzunehmende Winterdepression entwickelt?

Von einer Winterdepression, der so genannten „Saisonal Affective Disorder“ (SAD), spricht man, wenn es sich um eine saisonbedingten Depression handelt, erklärt Dr. Christa Roth-Sackenheim, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie tritt insbesondere in den dunklen und kalten Wintermonaten auf. Frauen sind wesentlich häufiger von einer Winterdepression betroffen als Männer, Menschen, die auf den nördlichen Breitengraden leben, häufiger als jene im Süden. Genaue Zahlen gibt es nicht. Schätzungen gehen laut Dr. Roth-Sackenheim, von etwa 5-10 Prozent der Menschen mit rezidivierenden (wiederkehrenden) depressiven Störungen aus.

Ursachen der Winterdepression

Die Tatsache, dass es in warmen, sonnigen Ländern weitaus seltener zu Winterdepressionen kommt, ist nur ein Grund für die Annahme, dass das mangelnde Tageslicht in der kalten Jahreszeit eine wichtige Rolle im Mechanismus spielt, der eine SAD auslöst. Verkürzte Tage und sinkende Temperaturen sind für den Körper das Signal zur Vorbereitung des „Winterschlafs“, der aber beim Menschen bekanntlich nicht eintritt. Die Folge ist, dass der Tag-/Nacht-Rhythmus durcheinander gebracht und die Stimmungslage des Menschen gedrückt wird. Dafür scheinen insbesondere der Botenstoff (Neurotransmitter) Serotonin und das Hormon Melatonin verantwortlich zu sein. „Von einer Winterdepression betroffene Menschen scheinen sehr sensibel auf Serotonin und Melatonin zu reagieren. Ihr Stoffwechsel ist besonders stark von diesen Neurotransmittern und somit von der Aufnahme von Licht über die Netzhaut abhängig.“ erklärt Dr. Roth-Sackenheim.

Zu viel Melatonin, zu wenig Serotonin

Trifft nur wenig Licht auf die Netzhaut, erhöht die Zirbeldrüse des Gehirns (Epiphyse) die Produktion und Ausschüttung des Hormons Melatonin. Dieses ist auch als „Schlafhormon“ bekannt, da es in unserem Körper verschiedene Prozesse auslöst, die uns müde machen und somit schlaffördernd wirkt. Melatonin wird aus der Aminosäure Tryptophan über die Zwischenstufe Serotonin synthetisiert. Es ist also zusätzlich Abbauprodukt des in der dunklen Jahreszeit ohnehin schon knappen „Wohlfühl“-Botenstoffs Serotonin.

Serotonin sorgt für Gelassenheit, Ausgeglichenheit, Zufriedenheit und Ruhe. Außerdem dämpft es Hungergefühle, Angst, Aggression, Kummer und Sorgen. Besteht ein Mangel an Serotonin, hat das negative Auswirkungen auf die entsprechenden Gefühle, Wahrnehmungen und das Verhalten, was sich im schlimmsten Fall in einer schweren Winterdepression niederschlägt.

Symptome der Winterdepression

Die beschriebenen Prozesse rufen die typischen Symptome einer Winterdepression hervor: Melatonin-Überschuss und Serotoninmangel bewirken eine starke Antriebslosigkeit und Unausgeglichenheit, einen erhöhten Schlafbedarf sowie eine gedrückte Stimmung. Von einer Winterdepression betroffene Menschen ziehen sich gern in die eigenen vier Wände zurück und vernachlässigen soziale Kontakte. Das entstandene Stimmungstief versucht der Körper durch die Zufuhr von Süßigkeiten und die damit verbunden Ausschüttung von Glückshormonen zu überwinden, was einen regelrechten Heißhunger auf Schokolade &Co. auslöst. Dies ist ein großer Unterschied zu einer „normalen“ Depression, bei welcher die Betroffenen meist ins Gegenteil verfallen und stark abnehmen.

Sind diese Symptome länger als zwei Wochen zu beobachten, besteht laut Dr. Roth-Sackenheim der Verdacht, dass es sich nicht um ein kleineres Stimmungstief handelt, sondern um eine Winterdepression. Spätestens dann sollte man sich an einen Psychologen wenden.

Was kann man tun um einer Winterdepression vorzubeugen bzw. sie zu lindern?

Ausreichende Bewegung und eine gute Ernährung spielen, wie bei allen präventiven Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit, auch bei der Vorbeugung einer Winterdepression eine entscheidende Rolle. Dr. Christa Roth-Sackenheim empfiehlt eine vitamin- und eiweißreiche Nahrung und die Verwendung von Ölen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Kohlehydrat- und tryptophanreiche Lebensmittel (z.B. Sojabohnen, Kakao, Cashew-Kerne, Erbsen, Avocados, Milchprodukte) kurbeln die Serotoninproduktion an. Im Rahmen eines ausgeglichenen Lebensstils sollte zudem auf Rauchen, einen übermäßigen Alkoholgenuss sowie die Einnahme von Schlafmitteln verzichtet werden.

Outdoor-Sport für Glücksgefühle und Lichtbetankung

Sport und Bewegung an der frischen Luft haben gleich zwei positive Effekte. Zum einen werden beim Ausdauersport wie Laufen, Wandern oder Radfahren viele Glückshormone ausgeschüttet und das Wohlbefinden gesteigert. Zum anderen erhöht ein Spaziergang (am besten morgens), Skifahren oder Langlaufen die täglich dringend notwendige Dosis an Tageslicht. Dessen positiver Effekt in Bezug auf die Vorbeugung und Linderung einer Winterdepression ist nicht von der Hand zu weisen.

Diese Tipps sollten zwar zur Vorbeugung einer Winterdepression beherzigt werden. Die professionelle Hilfe bei einer akuten Depression können sie allerdings nicht ersetzen. Schließlich könne man eine echte Winterdepression nicht „wegessen“ oder „weglaufen“, betont die Expertin.

Professionelle Therapie der saisonalen Depression

Die Kraft des Lichts wird auch im Rahmen einer Lichttherapie wirksam eingesetzt. Betroffene einer SAD werden mit reinem, weißem Licht von mindestens 10. 000 Lux für 30 Minuten pro Tag bestrahlt und reagieren oft mit deutlicher Stimmungsaufhellung. Dennoch kommt das künstliche Hell nicht gegen Tageslicht an – zum Vergleich: ein sonniger Tag strahlt mit bis zu 100.000 Lux.

Bei schweren Fällen der Winterdepression kann eine medikamentöse Behandlung notwendig werden. Dabei werden Medikamente eingesetzt, die auch bei anderen Depressionsformen Erfolg versprechen. Eine Psychotherapie durch entsprechende Fachärzte kann ebenfalls bei der Überwindung einer Winterdepression helfen und sollte nicht aufgrund von Schamgefühlen außer Acht gelassen werden.

 

Unsere Expertin: Dr. Christa Roth-Sackenheim, Andernach

dr roth-sackenheim

Vorsitzende des BVDP (Berufsverband Deutscher Psychiater)

Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie

 

Weitere Quellen:

Lurie, S. J. et al. (2006). Seasonal Affective Disorders. In: American Family Physician, Nr. 74, S. 1521-1524.

Kasper, S. & Möller, H.-J. (2004). Herbst-/Winterdepression und Lichttherapie. Springer:Wien.

 

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