Wie gefährlich ist Mikroplastik? Brian Yurasits auf Unsplash
Gesund mit Diehm

Wie gefährlich ist Mikroplastik?

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Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm. Jeder Deutsche erzeugt pro Jahr vier Kilogramm Mikroplastik. Die Frage lautet, geht davon eine direkte gesundheitliche Gefahr aus?
Fakt ist, dass Forscher erstmals Mikroplastik in inneren Organen entdeckt haben. Mikroplastikteilchen verschmutzen also nicht nur die Umwelt in den entlegensten Regionen unserer Erde. Sie entstehen beim Zerfall von größeren Kunststoffprodukten, beim Abrieb von Autoreifen, sie sind in unserer Kleidung, in Kosmetika und in vielem mehr enthalten. Jeder Deutsche – so hat eine Studie des Fraunhofer Instituts ergeben – erzeugt mit dem bloßen Auge nicht sichtbares Mikroplastik.

Fakt ist auch: Mikroplastik wird inzwischen in zahlreichen Lebensmitteln und sogar in unserem Trinkwasser nachgewiesen. Laut aktuellem Stand bedeutet dies aber keine akute Bedrohung für unsere Gesundheit. Das zumindest bestätigen sowohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit als auch die Weltgesundheitsorganisation. Allerdings, so schreibt das deutsche Bundesumweltministerium auf seiner Homepage: „Für eine abschließende Risikobewertung von Mikroplastikpartikeln in Lebensmitteln bedarf es weiterer Forschung und dazu der Erhebung von verlässlichen Daten.“ Die ersten Studien dazu liegen nun vor.

Mikroplastik führt zu Gefäßentzündungen

Gänzlich harmlos ist Mikroplastik für unsere Gesundheit demnach nicht. So hat ein Team aus Gefäßmedizinern, Zellbiologen und Chemikern der Universität Marburg erstmals nachgewiesen, dass Mikroplastikteilchen im Blut zu Gefäßentzündungen führen können. Der Grund: Das Mikroplastik animiert die Gefäßwand, Rezeptoren zur Bindung von Immunzellen auszubilden. Diese Immunzellen, die normalerweise frei im Blut schwimmen, setzen sich als Folge an der Gefäßwand fest, insbesondere an der innersten Schicht, dem Endothel, und erzeugen Entzündungsproteine. Andauernde Gefäßentzündungen können zu Arteriosklerose und so zu Durchblutungsstörungen im Herz und im Gehirn führen.

Bisher wurde dieser Effekt erstmals im Rahmen einer experimentellen Grundlagenforschung nachgewiesen. Tierversuche kamen jedoch bereits zu gleichen Ergebnissen. Das Forscherteam aus Marburg warnt darum ausdrücklich vor den „möglichen gesundheitlichen Risiken“ durch Mikroplastik.

Das bestätigt auch eine Studie der Arizona State University. Das dortige Forscherteam hat sich seit Jahren auf den Nachweis von Umweltgiften spezialisiert. Weltweite Aufmerksamkeit erlangten sie, als sie vor einiger Zeit antimikrobielle Zusätze aus Kosmetika im Trinkwasser nachweisen konnten, die nur in den 1960er Jahren produziert wurden.

Nun haben sie erstmals auch Mikro- und Nanoplastikpartikel in menschlichen Organen gefunden. In Proben von Organspendern konnten sie diese sowohl in der Leber als auch im Fettgewebe nachweisen. Sie warnen darum ausdrücklich vor den möglichen Folgen, denn – so wörtlich – „diese Stoffe können die Wirkung von Hormonen und die Übertragung von biochemischen Signalen im Körper beeinflussen, Entzündungen hervorrufen oder sogar Krebs auslösen.“

Tierversuche haben gezeigt, dass Mikroplastik in den Körper von Mäusen gelangen kann. Lokal entstehen so im Verdauungstrakt und in der Leber massive Entzündungsreaktionen.

Die zitierten Studien sollten Sie nun nicht zu sehr beunruhigen. Sie zeigen jedoch, dass sich durch unseren sorglosen Umgang mit der Umwelt ständig neue Risiken für unsere Gesundheit ergeben. Und das sollte uns eigentlich Warnung genug sein. Um es mit dem Schriftsteller Paul Coelho zu sagen: „Die Welt verändert sich durch Dein Vorbild, nicht durch Deine Meinung.“

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

 

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