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Interview zum Thema „digitaler Augenstress“

Dr. Wolfgang Wesemann ist einer der renommiertesten Experten auf dem Gebiet der Augenoptik. Nach seinem Studium der Physik, Mathematik, Chemie und Astronomie arbeitete er als wissenschaftlicher Angestellter in der Abteilung für Medizinische Optik der Universitäts-Augenklinik Hamburg. Seit 1989 leitet er als Direktor die Höhere Fachschule für Augenoptik in Köln.

Herr Dr. Wesemann, was ist „digitaler Augenstress“?
Das ist ein relativ neuer Begriff. In unserer digitalen Welt ist die Belastung der Augen viel größer als früher, als man nur von Sehbeschwerden am Bildschirmarbeitsplatz sprach. Heute gibt es zusätzliche Sehprobleme durch Smartphones und Tablets. All diese digitalen Geräte sind eine Belastung für die Augen. Sie erzeugen Stress, eben „digitalen Augenstress“.

Wie meinen Sie das?
Die Arbeit am Bildschirm stellt andauernd hohe Sehanforderungen. Wobei man zwei Arten von Berufen unterscheiden kann. Das ist einerseits ein Programmierer, der den ganzen Tag starr auf den Bildschirm blickt, andererseits eine Sekretärin, die ständig von der Vorlage zum Bildschirm hin- und herschaut. Da kommt sie schnell auf 33.000 Blicksprünge pro Tag. Der eine blickt zu wenig herum, die andere zu viel. Beides ist unnatürlich und führt zu einer Ermüdung des Sehsystems. Außerdem blinzelt ein Bildschirmarbeiter weniger häufig. Dadurch trocknet das Auge aus und man bekommt Juckreiz oder Augenbrennen.

Aber Bildschirme sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken …
Sicher ist das Leben heute anders als früher. Ärzte empfehlen deshalb, ausreichend Pausen vom Bildschirm zu machen, um dem digitalen Stress auszuweichen. Und um dem Auge auch mal eine andere Blickrichtung und Entspannung zu geben. Eine andere Lösung ist eine Bildschirmbrille. Sie wird vom Optiker individuell und zentimetergenau an die typischen Entfernungen zum Bildschirm angepasst.

Dr. Wesemann, digitaler AugenstressDr. Wesemann, Direktor der Höheren Fachschule für Augenoptik in KölnWird der digitale Augenstress in den nächsten Jahren noch mehr?
Auf jeden Fall. Denn ich gehe davon aus, dass der Anteil der Bildschirmarbeit immer größer wird. Hinzu kommt, dass wir außerhalb der Arbeitszeit auf Tablets schauen oder aufs Smartphone. In Asien wurde jetzt nachgewiesen, dass Kinder viel häufiger als früher kurzsichtig werden. Das ist vermutlich eine Folge der Smartphones, weil die wegen der kleinen Schrift sehr nah ans Auge gehalten werden müssen. Auch die Tatsache, dass unsere Kinder sich immer weniger im Freien aufhalten, ist schädlich für die Sehentwicklung.

Was kann man dagegen tun?
Man muss wohl damit leben, denn niemand will ja Smartphones abschaffen. Man wird also erleben, dass die Gesellschaft sich wandelt. Es ist fast unausweichlich, dass in den nächsten Jahren immer mehr Bundesbürger kurzsichtig werden.

Presseinformation Kuratorium Gutes Sehen e.V.