Burnout-Special - Teil 4: TCM gegen Burnout www.istockphoto.de/rvbox

Burnout-Special - Teil 4: TCM gegen Burnout

In den nächsten Folgen unseres Burnout-Specials stehen verschiedene medizinische Behandlungsmethoden im Vordergrund. Im aktuellen Beitrag soll dabei die Behandlung durch die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) vorgestellt werden, da ihr u.a. Wirkweisen nachgesagt werden, die dem Patienten die Selbstwirksamkeit zurückgeben können. Dazu haben wir uns mit Dr. Manfred Nelting von der Gezeiten Haus Klinik unterhalten.

Fragt man in die Runde von Laien, was sie denn unter Traditionelle Chinesische Medizin oder TCM verstehen, dann hört man höchst Unterschiedliches. Von potenzspenden Tigerkrallen bis hin zu heilsamen Kräutermischungen, reichen die ins Blaue geratenen Tipps. Die wenigstens bringen Qigong oder Akupunktur damit in Verbindung. Vielleicht deshalb, weil diese hier in westlichen Gefilden auch anerkannt sind und man sich unter TCM immer noch etwas weit entferntes und altertümliches vorstellt. Jedenfalls kommen die wenigsten auf die Idee, dass die TCM Behandlungsmethoden bereithält, die eine moderne Zivilisationskrankheit wie etwa einen Burnout heilen könnten.

Westliches und östliches Wissen gegen Burnout vereint

„Wir betreiben TCM und westliche Psychosomatik integriert", erklärt Dr. Manfred Nelting, Buchautor von „Burn-out - Wenn die Maske zerbricht". In der Gezeiten Haus Klinik, einem privaten Fachkrankenhaus in Bonn, versucht man über interdisziplinäre Wege zur Heilung von Zivilisationskrankheiten zu finden. „Wir können mit der TCM blockierte regulative Körpervorgänge schneller wieder in Gang bringen, wobei der Patient insbesondere durch das Qigong ein Gefühl der Selbstwirksamkeit entwickelt, was ihm in der weiteren Therapie außerordentlich hilft. Durch die manuelle Tuina-Behandlung (Heilmassage) erlebt er wieder ein Körpergefühl, was bei Burnout meist "betäubt" war. Akupunktur und Verordnung von Kräutern in Abstimmung mit westlicher Medikation ist ein neuartiges Handlungsfeld, über das wir mittlerweile viel Erfahrung gewonnen haben", erklärt Dr. Nelting.

TCM erklärt dem Patienten bildhaft, was passiert

Die Burnout-Patienten, die zur Behandlung in die Klinik kommen, sind in der Regel bereits in einer fortgeschrittenen Phase des Burnouts. „Sie haben zumeist schon mittelschwere und schwere Depressionen bzw. Angsterkrankungen, weiterhin vielfältige Symptomatiken wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II, Tinnitus, Schmerzsyndrome oder Immunstörungen", beschreibt Nelting den Zustand seiner Patienten bei der Ankunft. Hochgradige Erschöpfung und ein hohes Herzinfarkt-Risiko sind keine neuen Erscheinungen für Dr. Nelting. Darüber hinaus sind die Menschen hochgradig gekränkt, dass sie aufgrund ihres Zustandes stationär behandelt werden müssen. Den Patienten in dieser körperlich und geistig schwierigen Konstitution zu erreichen, erleichtert die TCM nach Dr. Nelting: „Die bildhaften Erläuterungen, wie „das lodernde Herzfeuer kann nicht gelöscht werden, weil die Nieren kein Wasser mehr führen", sind vom Patienten oftmals leichter vorstellbar, als wenn ich ihm sage: „Es besteht bei Ihnen eine Fülle- und Stau-Symptomatik im Herzfunktionskreis gepaart mit einer starken Leere-Symptomatik im Nierenfunktionskreis." So können sich Patienten auch leichter auf die Therapie einlassen."

Therapieprozesse der TCM bei Burnout-Patienten

Von Anfang an machen die Patienten beim Qigong mit. Die Übungen sind für jeden Ankömmling ein geeigneter Einstieg in die Therapieprozesse der Klinik. Zudem ebnet Qigong den Weg in die Psychotherapie. Denn durch die Strukturierungswirkung der Körperwahrnehmung im Qigong auf das "Ich" kann der Patient wieder anfangen über sich selbst zu reflektieren. Eine weitere wichtige Rolle im Therapieprozess spielt die Tuina-Behandlung. Durch sie erhalten die Patienten ein besseres Körpergefühl und kommen wieder in die Wahrnehmung des Energieflusses in ihrem Körper. Der Handkontakt hilft dabe, die vegetative  Balance und das Vertrauen in Menschen zurückzugewinnen. „Natürlich passen wir die Behandlungen individuell an und richten uns hier nach den Bedürfnissen der Patienten", erklärt Dr. Nelting. „Hat der Patient beispielsweise Schlafstörungen – diese sind bei Burnout fast immer gegeben – dann geben die verschiedenen sportlichen Betätigungen aus dem TCM, wie TaiJi-Qigong-Übungen und TaiJi Bailong Ball-Bewegungen, die Möglichkeit ein natürliches Schlafbedürfnis zu erzeugen. Dabei gestaltet man die Übungen ausgehend von der körperlichen Konstitution jedes Einzelnen. Da bei Burnout der physische Ermüdungszustand sowie kardiale Risiken zu beachten sind, kommen auch nicht alle möglichen Sportarten in Betracht. Die TCM-Betätigungen sind mit ihren spiralförmigen Bewegungen weniger energieraubend und so auch schonender für das Herz-Kreislauf-System."

Kräuter und Medikamente bei Burnout

„Die Behandlung mit Kräutern kann im Einzelfall sehr wichtig sein. Die chinesische Puls- und Zungendiagnostik klärt oft die Notwendigkeit. Unsere chinesischen und deutschen TCM-Therapeuten und -Ärzte stellen dann individuell Rezepturen zusammen", erklärt Dr. Nelting den Einsatz chinesischer Heilkräuter.

Dabei verzichtet die Fachklinik auf jegliche Fertigprodukte aus China. Dies ist Dr. Nelting auch besonders wichtig, weil die Klinik sich der Problematik in Bezug auf den Tierschutz durchaus bewusst ist. Selbst für die Klinikküche werden daher ausschließlich Bio-Höfe der Umgebung angefahren. Was den Einsatz von chinesischen Wirkstoffen anbelangt, so kommt die Klinik mit Kräuteranwendungen „gut zurecht".

Trotzdem ist selbst bei der Verwendung von Heilkräutern ebenfalls Vorsicht geboten: „Diese Rezepturen müssen gut auf laufende Medikationen abgestimmt werden, mit denen die Patienten bereits zu uns kommen", sagt Dr. Nelting. Schlagen die unterschiedlichen Therapien gut an, können die Dosierungen von z.B. blutdrucksenkenden Mitteln auch nach und nach zurückgeschraubt oder ganz abgesetzt werden.

Nachhaltigkeit der TCM

Ziel der Burnout-Behandlung durch die TCM ist, dass der Patient seine Selbstwirksamkeit zurückerhält. Auch hier spielt Qigong eine wichtige Rolle: „Wir setzen neben der Psychotherapie viel Körpertherapie ein, weil wir den Körper als einen wesentlichen Träger der Nachhaltigkeit ansehen. Deswegen haben wir in unserem Haus eine spezielle TCM-basierte psychosomatische Körpertherapie (TB-PKT) entwickelt, die zur nachhaltigen Erlebnisverarbeitung im Körper beiträgt", erklärt Dr. Nelting. Doch weiß der Arzt auch, dass es für den Einzelnen ein Leben nach der Klinik gibt. Hier sagt er, ist eine tägliche und eigenständige Lebenspflege notwendig. „Wir raten unseren Patienten daher, mit dem Qigong weiterzumachen", sagt Dr. Nelting. „Außerdem können wir in den ersten Monaten nach dem Klinikaufenthalt auch mit Tuina, Akupunktur, aber auch psychotherapeutisch noch eine Zeit lang fortfahren, um dem Patienten den Einstieg ins Leben zu vereinfachen." 

 

Unser Experte: Dr. Manfred Nelting von der Gezeiten Haus Klinik in Bonn

 nelting

Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Allgemeinmedizin

 

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