Wenn die Psyche den Körper krank macht Dr. Thorsten Bracher ist Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein. Der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie ist u.a. spezialisiert auf Depressionen, psychosomatische Erkrankungen und Stressfolgeerkrankungen wie Burnout-Syn
Psychosomatische Beschwerden

Wenn die Psyche den Körper krank macht

Oft stecken hinter Kopf- und Rückenschmerzen, Magenproblemen, Schwindel oder anderen körperlichen Beschwerden keine organischen, sondern seelische Ursachen. Davon betroffen: ein Drittel aller erwachsenen Deutschen. Wie psychosomatische Störungen entstehen und was dagegen hilft, erläutert Dr. Thorsten Bracher, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein.
Ob Kopf- und Rückenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel oder Hautausschlag: Viele körperliche Beschwerden sind psychisch bedingt - oder zumindest spielen seelische Faktoren eine große Rolle bei der Entstehung. Ärzte gehen davon aus, dass ein Drittel aller Deutschen davon betroffen sind – Tendenz steigend. Als Ursache vermuten Experten unter anderem zunehmenden Stress sowie hohen Anpassungs- und Leistungsdruck in unserer schnelllebigen Zeit. Oftmals haben die Betroffenen einen jahrelangen Leidensweg hinter sich, bevor sie bei Experten für seelische Störungen (Fachärzten für Psychiatrie oder Psychosomatische Medizin, Psychotherapeuten) endlich die lang ersehnte Hilfe finden. „Meist werden zunächst organische Ursachen vermutet und entsprechende Fachärzte aufgesucht“, erläutert Dr. Thorsten Bracher, Chefarzt der Schlossparkklinik Dirmstein. Doch weder Ultraschall noch Computertomographie oder MRT zeigen die Ursache - und so folgt vielfach ein zermürbender Gang von Arzt zu Arzt. „Viele Betroffene zögern lange, bevor sie sich an einen Psychiater oder Psychotherapeuten wenden, weil sie nicht verstehen können, dass ihre körperlichen Beschwerden seelisch bedingt sein sollen“, weiß der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie aus jahrelanger Praxis.

So kann der Therapeut helfen  

Auch wenn keine organischen Ursachen feststellbar sind, handelt es sich bei psychosomatischen Beschwerden keineswegs um „eingebildete“ Krankheiten und die Erkrankten sind auch keine „Simulanten“. In der Regel erweisen sich die Beschwerden als mindestens ebenso belastend, haben eben nur eine andere Ursache: Wie der Name schon andeutet, ist hierbei das Wechselspiel zwischen Seele (griechisch: Psyche) und Körper (Soma) entscheidend. „Sobald Betroffene verstehen, dass ihr Körper etwas zum Ausdruck bringt, was ihre Seele nicht auszudrücken vermag, kann die therapeutische Hilfe beginnen“, betont Dr. Bracher. Ziel ist es, „hinter der körperlichen Symptomatik verborgene, unbewusste seelische Konflikte zu erkennen oder besondere psychische Belastungen zu identifizieren und gemeinsam Lösungsansätze zu finden.“ Dabei kommen überwiegend die Verhaltens- sowie die tiefenpsychologische Psychotherapie zum Einsatz – Methoden, deren Wirksamkeit wissenschaftlich gut untersucht und belegt ist. Neben der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung kann in bestimmten Fällen auch eine medikamentöse Unterstützung mit einem Antidepressivum sinnvoll sein.

Sind die Beschwerden sehr ausgeprägt und sprechen sie auf eine ambulante Behandlung nicht ausreichend an, so empfiehlt der Experte die Behandlung in einer Fachklinik. Dasselbe gilt, wenn die Symptomatik so stark ist, dass eine Alltagsbewältigung kaum mehr möglich ist. Dort werden die Patienten mit einem aus verschiedenen Bausteinen zusammengestellten Therapieprogramm behandelt. Üblicherweise umfasst es neben der Psychotherapie auch Verfahren wie Kunst-, Ergo-, Musik- und Bewegungstherapie, Physiotherapie und Entspannungstechniken (zum Beispiel Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung) - gegebenenfalls kombiniert mit einer medikamentösen Behandlung. 

Das wirkt gegen Schmerzen und Schwindel

Sehr oft haben Schmerzen psychosomatische Gründe. Vielfach betroffen davon ist der Bewegungsapparat oder der Bauch. Lassen sich organische Ursachen ausschließen, so kann eine psychotherapeutische Behandlung zu einer wesentlichen Besserung führen. „Dabei geht es neben der Reduktion der Schmerzen vielfach auch um eine Veränderung des Umgangs damit, da eine völlige Schmerzfreiheit nicht immer erreicht werden kann“, erläutert Dr. Bracher. Denn „das individuelle Reaktionsmuster, bei seelischen Belastungen körperliche Schmerzen zu empfinden, bleibt grundsätzlich bestehen.“

Sehr hilfreich ist auch das Erlernen zielführender Stressbewältigungsstrategien, da chronischer Stress häufig eine wesentliche Ursache   psychosomatischer Beschwerden ist (wie Schmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden). Weitere Klarheit über die Zusammenhänge von Symptomen und Auslösern kann das Führen eines Schmerztagebuchs bringen. Die Vermittlung von Entspannungstechniken wie Autogenem Training, Yoga und Progressiver Muskelrelaxation ist auch hier eine wertvolle unterstützende Maßnahme. 

Dass Rückenbeschwerden nicht unbedingt nur durch stundenlanges Sitzen am Schreibtisch oder zu wenig Bewegung verursacht werden, sondern vielmehr auch psychische Ursachen haben können, ist vielen Betroffenen nicht klar. „Natürlich vermutet man auch hier zunächst Fehlstellungen, einseitige Belastungen oder etwa eine schwache Rücken- und Bauchmuskulatur als Auslöser“, betont Dr. Bracher. Doch „funktionelle Rückenschmerzen“, wie die entsprechende Diagnose lautet, sind sehr oft Folge von Leistungsdruck, Konflikten und weiteren psychischen Belastungen. Es kommt zu schmerzhaften Muskelverhärtungen und -verspannungen, die dem Kreuz zu schaffen machen. Neben Psychotherapie können Massagen und Entspannungsübungen helfen. „Wichtig ist es, wie auch bei anderen psychosomatischen Beschwerden, für genügend körperlichen Ausgleich zu sorgen“, empfiehlt Dr. Bracher. Hin und wieder im Büro oder Zuhause eine Dehnübung zwischendurch erfreut Rücken und Gelenke zusätzlich.

Schwindel-Attacken sind oft das Resultat seelischer Probleme. Nach Kopfschmerzen ist Schwindel übrigens hierzulande eines der häufigsten Krankheitssymptome, das Patienten zu einem Arztbesuch veranlasst. Sind körperliche Ursachen wie Störungen des Gleichgewichtsorgans, Kreislaufprobleme, Virusinfekte oder Nervenentzündungen ausgeschlossen, liegt vermutlich ein psychisch bedingter Schwindel vor. Dieser kann psychotherapeutisch behandelt werden. Die Kombination von Verhaltenstherapie und bestimmten Übungen hat sich hierbei als besonders wirksam herausgestellt.

Wie entstehen psychosomatische Beschwerden?

Vielfältig wie die Symptome sind auch die möglichen Auslöser. Experten gehen davon aus, dass in der Regel biologische, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken. Neben einer genetischen Veranlagung spielen auch Stress, persönliche Verluste, traumatische Erfahrungen (besonders in der Kindheit) und unbewusste Konflikte eine Rolle. Nicht selten kommen neben körperlichen Beschwerden depressive Verstimmungen oder Ängste hinzu. Oftmals wechseln die Symptome auch – und aus anfänglichen Rückenschmerzen werden beispielsweise Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Probleme.

Das Innenleben besser verstehen lernen

Psychosomatische Beschwerden gelten grundsätzlich als gut therapierbar. Am Anfang jeder Behandlung beim Psychiater oder Psychotherapeuten steht ein ausführliches Gespräch, um den bisherigen Krankheitsverlauf und Ursachen zu erkennen und ein individuelles Behandlungskonzept erstellen zu können. Auch wenn es nicht immer zu einer völligen Symptomfreiheit kommt, lässt sich doch in der Mehrzahl aller Fälle eine deutliche Besserung der Beschwerden erzielen. „Zudem weiß der Patient nun sein „Innenleben“ besser wahrzunehmen und mit seinen Beschwerden viel besser umzugehen“, so Dr. Bracher.