Abnehmen: Chancen und kardiovaskuläre Risiken der neuen Spritzen Tumisu auf Pixabay
  • 22. Dezember 2023
  • Prof. Dr. Dr. Med. Dr. H. C. Manfred Zehender
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Abnehmen: Chancen und kardiovaskuläre Risiken der neuen Spritzen

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Die Suche nach effektiven Methoden zur Gewichtsreduktion hat zu einer Vielzahl mehr oder weniger erfolglosen Ansätzen geführt. Bei den zahlreichen Diäten setzt zumeist anschließend ein Jo-Jo Effekt ein. Sie sind mittel- bis langfristig häufig eine Enttäuschung. Das scheint sich gegenwärtig zu ändern. Die Entwicklung einer Gruppe neuer Hormonspritzen verspricht eine Gewichtsreduktion von 10 von 15 Prozent des Körpergewichtes innerhalb eines Jahres. Wie funktionieren sie und welche Risiken haben sie für die Herzgesundheit?
Semaglutide gilt als der derzeit bekannteste Vertreter einer Klasse von Medikamenten (GLP-1-Rezeptoragonisten), die durch ihre Ähnlichkeit zu einem körpereigenen Hormon vor allem zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Diese Substanzen wirken, indem sie die Freisetzung von Insulin fördern, den Blutzuckerspiegel regulieren und im Gehirn zusammen mit der Verlangsamung der Magenentleerung das Sättigungsgefühl erhöhen. Auf diese Weise trägt Semaglutide dazu bei, den Appetit zu reduzieren und damit den Gewichtsverlust zu fördern.

Große Studien belegen, dass diese Effekte mit einem geringen Nebenwirkungsrisiko von unter 1 von 1000 wirken. Nur sehr selten treten Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Darmverschluss auf. Die geringen Nebenwirkungen verdanken wir der Tatsache, dass es sich bei Semaglutide ja nicht um eine körperfremde chemische Substanz handelt, sondern den Nachbau eines körpereigenen Hormons. Gelegentliche Übelkeit, unangenehmes Aufstoßen und Durchfall sind jedoch, vor allem bei zu rascher Dosissteigerung, in Kauf zu nehmen.

Wer profitiert von den Abnehmspritzen?

Die sogenannte Abnehmspritze ist derzeit in erster Linie für Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 und darüber gedacht, immerhin sind das rund 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Die zweite adressierte Gruppe von Personen haben einen BMI von 27 oder höher, die an gewichtsbezogenen Gesundheitsproblemen leiden. Für diese zwei Zielgruppen von Personen ist Semaglutide und verwandte Präparate das empfohlene Medikament.

Dabei stehen Patienten mit Diabetes mellitus II im Fokus, bei denen das Übergewicht die Krankheit und die sekundären Krankheitsrisiken deutlich erhöht. Es ist aber wichtig zu beachten, dass Substanzen wie Semaglutide stets nur als Teil eines umfassenden Gewichtsmanagementprogramms, das eine gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität einschließt, sinnvoll und zielführend sind.

Daneben hat sich um die Abnehmspritze ein Hype als Lifestyle Produkt entwickelt. Immer mehr, vor allem auch junge Menschen nutzen sie aktuell, um ihrem Schönheitsideal näher zu kommen. Spritzen mit höherer Dosierung für diese Zielgruppe drängen massiv auf den Markt und haben mit dazu geführt, dass die niedrigeren Dosierungen vielerorts in den Apotheken selbst für Diabetiker nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Hersteller erkannten das Blockbuster-Potenzial. Die Aktienkurse einzelner Firmen schossen im Laufe des Jahres nach oben.

Anwendung und Kosten

Substanzen wie Semaglutide werden einmal pro Woche als subkutane Spritze appliziert und dies in einer aufsteigenden Dosierung von 0.25 bis 2 mg. Die Dosierung wird meist in 4 Wochenkuren gesteigert, bis sich der angestrebte Effekt einstellt. Bei Risikopatienten mit hohem BMI und daraus resultierenden Begleiterkrankungen trägt die Krankenkasse die Kosten des verschreibungspflichtigen Medikamentes. Im Lifestyle-Bereich liegt die Dosis bei 2,5 mg und die Kosten für eine vierwöchige Therapie liegen bei rund 300 Euro.

Für wen sind die Abnehmspritzen nicht geeignet?

Aber Vorsicht: Schwangere und stillende Frauen oder Frauen, die schwanger werden möchten, sollten solche medikamentösen Hormoneingriffe vermeiden. Potenzielle Auswirkungen auf den Fötus sind bisher nicht ausreichend erforscht. Personen mit einer Geschichte von Pankreatitis oder Schilddrüsenerkrankungen, vor allem auch Schilddrüsenkrebs in der Familie, sollten ebenfalls Vorsicht walten lassen.

Neueste Studien vom August dieses Jahres zeigen, dass die Behandlung von übergewichtigen Patienten ohne Diabetes aber mit Herz-Kreislaufvorerkrankungen mit Semaglutide für circa drei Jahre dazu führte, dass diese Gruppe rund 15 Prozent ihres Gewichts verloren hat und circa 20 Prozent weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte erlitten – und das, ohne schwere Nebenwirkungen. Das kardiovaskuläre Risikoprofil verbesserte sich dabei in fast allen Parametern wie Blutzucker, Blutdruck und Fettwerte. Ein sehr beeindruckendes Ergebnis, dass auch die Frage aufwirft, ob nicht viel mehr solcher adipösen Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen mit dem Medikament behandelt werden müssten.

Fazit

Insgesamt bietet die moderne Abnehmspritze auf Basis von GLP-1-Rezeptoragonisten eine vielversprechende Möglichkeit für Menschen, die mit Adipositas kämpfen. Eine individuelle Beratung durch Ärzte ist jedoch unerlässlich, um die Eignung des Medikaments für jeden Einzelnen zu beurteilen und mögliche Risiken zu minimieren. Der Tropfen Wasser im Wein lautet: Wer das Präparat im Lifestyle-Bereich anwendet, sollte sich bewusst sein, dass mit dem Absetzen der Spritze der Jo-Jo-Effekt auch hier wieder mit unbarmherziger Macht zuschlägt.

Prof Manfred ZehenderZur Person

Professor Dr. Manfred Zehender ist Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik und einer der führenden Herzspezialisten in Deutschland.

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