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Die Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie – Was ist das? thinkstockphotos.de

Die Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie – Was ist das?

Viele Menschen leiden unter der Pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie, ohne es zu wissen. Für alle Pollenallergiker, die sich auch schon mal gefragt haben, wieso sie auch  keine Äpfel und Nüsse mehr vertragen, könnte das die Lösung des Rätsels sein.
Die Pollensaison beginnt und plötzlich vertragen Allergiker bestimmte Obst- und Gemüsesorten nicht mehr. Das ist kein Zufall, sondern ein weit verbreitetes  Phänomen, unter dem rund 60 Prozent der Birkenpollenallergiker leiden: die Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie. Was genau darunter zu verstehen ist und was Allergiker in der Pollenzeit beachten sollten, verrät die Ernährungstherapeutin mit Schwerpunkt auf Unverträglichkeiten Dr. Imke Reese.

GesünderNet: Was versteht man unter einer Pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie, wie entsteht sie und warum wird sie auch Kreuzallergie genannt?

Dr. Imke Reese: Die Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie entsteht dadurch, dass Pollen im Immunsystem des Körpers als Gefahr interpretiert werden und er Antikörper gegen diese aufbaut.  Menschen mit einer solchen Pollensensibilisierung merken oft  im Laufe der Zeit, dass sie auch bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr vertragen. Dies kommt zustande, weil der Körper Bestandteile in den Nahrungsmitteln wiedererkennt, die in ähnlicher Form auch in den Pollen vorhanden sind und die er nicht von den Pollen unterscheiden kann. Deshalb wird diese Unverträglichkeit auch Kreuzreaktion genannt.  Birkenpollen sind am häufigsten mit Kreuzreaktionen gegenüber Nahrungsmitteln assoziiert. Vor allem beim Verzehr von Äpfeln und Nüssen treten oft  Symptome wie Kribbeln auf der Zunge, ein Gefühl von Enge beim Schlucken und juckende Augen auf. Dies nennt man Orales Allergie Syndrom, weil fast alle Beschwerden im Bereich des Kopfes auftreten. Es handelt sich hierbei um eine sekundäre Nahrungsmittelallergie. Das primäre Allergen sind die Birkenpollen. Dadurch dass ich Äpfel esse, werde ich zwar kein Birkenpollenallergiker, aber da ich gegen Birkenpollen allergisch bin, kann es sein, dass ich auch keine Äpfel mehr vertrage.

GesünderNet: Inwieweit ist die Kreuzallergie von der Pollenflugsaison abhängig?

Dr. Imke Reese: Während der Pollensaison sind die Reaktionen meist deutlich ausgeprägter als außerhalb der Pollensaison. Möglich also, dass der Birkenpollenallergiker das ganze Jahr über überhaupt kein Problem mit Äpfeln hat, aber während der Pollensaison besonders empfindlich wird. Durch den Pollenflug ist das Immunsystem sowieso schon auf Abwehr geschaltet und wenn dann noch Nahrungsmittel gegessen werden, die an die Pollen erinnern, kommt es leichter zu Reaktionen.

GesünderNet: Welche Pollenassoziierten Nahrungsmittel-Allergien treten neben der Allergie gegen Äpfel und Nüsse am häufigsten auf?

Dr. Imke Reese: Was in den letzten Jahren sehr deutlich geworden ist: Auch wenig verarbeitete Sojaprodukte machen Probleme. Ansonsten sind es nicht nur die Äpfel, sondern eigentlich das ganze Kern-  und Steinobst. Also Rosengewächse wie Pflaumen, Pfirsiche, Kirschen, aber auch Möhren und roher Sellerie – manchmal auch Mandeln. Der Konsum von Sojadrinks ist aber besonders gefährlich, da hier eine hohe Kreuzreaktivität vorhanden ist und das Allergen relativ stabil zu sein scheint. Wenn ich die Sojadrinks als Allergiker dann in großen Mengen innerhalb der Pollenzeit trinke, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich auf diese Sojamenge wirklich heftig reagiere bis hin zu anaphylaktischen Schocks. Das hängt vor allem mit der in Soja enthaltenen Eiweißmenge zusammen. Denn es sind ja immer Eiweißbestandteile, die die Allergie hervorrufen. Von daher würde ich einem Birkenpollenallergiker vorbeugend vom Sojadrink abraten. Bei allen anderen Lebensmitteln – ob das jetzt Apfel, Pfirsich oder Kirsche ist – ist es durchaus ok zu sagen: Probieren Sie es aus und wenn Sie eine Reaktion merken,  dann lassen Sie’s weg. Hoch verarbeiteter Tofu macht allerdings nichts. Denn generell gehen die kreuzreaktiven Allergene zu Birke durch Prozessierung, also durch Erhitzung, kaputt. Das heißt ich kann auch Apfelmus, Kirschmarmelade oder geröstete Mandeln ohne weiteres essen.

GesünderNet: Können Menschen,  die nur leichte Reaktionen gegen ein Nahrungsmittel haben und diese nicht stören, das Nahrungsmittel also weiterhin essen?

Dr. Imke Reese: Wenn ich wirklich Reaktionen habe, besteht immer die Gefahr, dass diese mehr werden. Und zwar nicht nur im Sinne, dass die Allergie langfristig schlimmer wird. Es ist auch nicht auszuschließen, dass aus dem Kribbeln im Mund auch mal eine heftigere allergische Reaktion wird.  Wenn ich als Birkenpollenallergiker also merke, dass ich ein bestimmtes Nahrungsmittel nicht vertrage, muss ich es auch konsequent über die gesamte Pollensaison vermeiden.  Deshalb ist es auch so wichtig, dass man durchaus nach der Pollensaison nochmal testet, ob das Nahrungsmittel vertragen wird oder nicht. Es kann schließlich gut sein, dass es außerhalb der Pollensaison gar keine Probleme gibt. Dann kann ich das entsprechende Nahrungsmittel nach der Pollenzeit auch wieder essen.

GesünderNet: Wie lässt sich bestimmen, gegen welche Nahrungsmittel man allergisch ist?

Dr. Imke Reese: Tatsächlich wird nur auf Pollen getestet. Entweder mit dem sogenannten Pricktest über die Haut oder mit einem Bluttest. Ob ich dann gegen die verschiedenen Nahrungsmittel allergisch bin, ist eine Sache der Abfrage, denn was man mit dem Blut- oder Hauttest erfassen kann, sind ja nur Sensibilisierungen. Das heißt man testet, ob Antikörper vorhanden sind oder nicht. Ob die klinisch zu Reaktionen führen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das muss man beim Patienten direkt erfragen.

GesünderNet: Bei welchen anderen Blütenpollen neben Birke kann es noch zur Pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie kommen?

Dr. Imke Reese: Früher hat man auch gedacht, dass Gräser- und Beifußpollen sehr häufig mit Nahrungsmitteln kreuzreagieren. Heute kann man allerdings viel genauer sagen, welche Bestandteile in den Pollen die Reaktionen hervorrufen. Diese kreuzreagierenden Allergene sind für Gräser und Beifuß aber völlig unklar. Man weiß also nicht, ob es sich in diesem Fall  wirklich um Kreuzreaktionen handelt oder ob die Symptome nur anekdotisch sind. Das bedeutet, wir haben zwar ganz viele Berichte darüber, diese lassen sich wissenschaftlich bisher aber nicht erklären.

GesünderNet: Wie kommt es, dass bisher gesunde Menschen plötzlich eine Pollenallergie entwickeln?

Dr. Imke Reese: Warum jemand allergisch wird und warum nicht, das wissen wir nach wie vor nicht. Fest steht: In der Stadt ist das Risiko, allergisch zu werden, höher. Obwohl in der Stadt ja eigentlich weniger Pollen fliegen als auf dem Land. Man geht davon aus, dass der Dreck der Stadt die Pollen aggressiver macht und sie so eher Reaktionen hervorrufen. Gerade in westlichen Ländern, wo eine hohe Verstädterung gegeben ist, sind Allergien auf dem Vormarsch. Der Körper nimmt seine Umwelt nicht mehr als harmlos wahr, sondern versucht sie tendenziell abzuwehren. Das mag tatsächlich etwas mit der Feinstaubbelastung in Städten zu tun haben, ist aber wahrscheinlich nicht der einzige Grund für die Zunahme von Allergien.

 

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