Das Leben als Mann genießen picture alliance

Das Leben als Mann genießen

„Es klingt ja eigentlich kitschig, aber die größte Erfüllung ist man selber zu sein“, sagt einer, der lange davon entfernt war. Balian Buschbaum lebt jetzt schon sein zweites Leben, das in dem er vollkommen zufrieden ist. Dies war in seinem ersten nicht immer so.

Balian Buschbaum ist mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen, seine Eltern haben ihn Yvonne genannt. Doch schon früh bemerkte er, dass er sich von anderen Geschlechtsgenossinnen unterscheidet: „Ich war immer wilder als andere. Ich habe mit den Jungs Fußball gespielt und habe meine Reifen vom BMX selbst geflickt.“ Bezeichnend auch seine Gefühlswelt: „Ich wusste, ich gehöre nicht auf die Frauentoilette. Ich hatte meinen eigenen Weg und mit dem ging es mir gut.“

Deswegen haben ihn selten Leute mit seinem Vornamen angesprochen. Yvonne war einfach unpassend für die Person, die ihnen gegenüberstand. „Ich habe etwas anderes verkörpert und ausgestrahlt, das haben die Leute gemerkt“, erklärt sich Buschbaum die Vermeidung seines damaligen Vornamens.

Sport als Ventil

Als Kind beginnt er mit Leichtathletik, spezialisiert sich auf den Stabhochsprung. Eine Disziplin, für die man viel Athletik und Kraft benötigt. Eine Sportart, für die körperliche Fitness eine Grundvoraussetzung ist. Wie sonst könnten sich die Athleten mit Hilfe eines Fiberglasstabs über eine sehr hoch liegende Latte schwingen?

Das kommt dem heute 31-Jährigen gerade recht. Freiwillig bleibt er länger im Kraftraum als alle anderen, provoziert dabei mehr als einmal unnötige Verletzungen. Doch das Training gibt ihm die Möglichkeit, seinen Körper nach seinen Wünschen zu formen. Möglichst maskulin, so tickt sein Inneres, so möchte er auch aussehen.

„Ich hatte immer überschüssige Energie, weil ich mit mir selbst nicht zufrieden war. Aber ich habe das nie gegen andere Menschen verwendet, weil das nicht zu meiner Mentalität passt. Die Aggression ging also immer gegen mich. Da war der Sport ein ganz wichtiges Ventil“, erklärt der heutige Trainer seine damalige Besessenheit.

Gleichzeitig ist der Sport aber auch ein gutes Mittel, um nicht nachdenken zu müssen. Nachdenken darüber, was falsch läuft bei ihm, was der genaue Grund des zeitweisen Unwohlseins ist, was man tun könnte, damit es besser wird. Es ist eine Art Flucht in eine andere Welt.

Erfolge machen nicht glücklich

Yvonne Buschbaum ist gut, sehr gut sogar. Zwei Mal Dritte bei Europameisterschaften, ein sechster und ein siebter Platz bei Weltmeisterschaften, Sechste bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney. Doch alle Siege, alle Medaillen und Pokale, alle Anerkennung und Schulterklopfer machen Buschbaum nicht glücklich. Immer stört, dass die Erfolge bei den Frauen gefeiert wurden.

Außerdem können die sportlichen Erfolge nicht über die persönlichen Enttäuschungen hinweghelfen. Vor allem fehlt Buschbaum ein kleines, aber entscheidendes Teil zum Mann-Sein: sein Penis. Das belastet ihn besonders in seinen Beziehungen. Seine Freundinnen hatten damit nie ein Problem, aber er wollte mit ihnen Sex haben, wie es ein Mann nun einmal kann – doch das war nicht möglich. „Ich hatte da schon meine schwarzen Tage und habe überlegt, wie ich das alles hinbekomme“, beschreibt Buschbaum rückblickend seine Leidenszeit. „Andererseits wusste ich, ich werde meinen Weg finden und ich werde glücklich sein. Aber die Jahre, die ich dafür gebraucht habe, um diesen Denkprozess anzukurbeln, die waren teilweise schwer.“

Eine kleine Frage bewegt eine ganze Welt

Schließlich ist es eine kleine Frage, die sein ganzes Leben umkrempelt und endlich ins Reine bringt. Die Mutter seiner damaligen Freundin weist ihn auf Transsexualität hin und dass es die Möglichkeit einer Geschlechtsangleichung gibt. Er hat sich sofort informiert und plötzlich war nicht nur für ihn alles verständlich. „Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich den Schritt der Geschlechtsangleichung angekündigt habe, da ist es allen wie Schuppen von ihren Augen gefallen. Alle waren der Meinung, dass jetzt endlich alles zusammenpasst und alles klar wird“, erklärt Buschbaum die Reaktionen seines Umfelds.

Die Zeit, in der er die ersten Testosteronspritzen bekam, bezeichnet er als zweite Pubertät. Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten in der Pubertät, freute er sich sehr darauf. Die Stimme, die tiefer wurde, die Muskeln, die ohne Training wuchsen, die Empfindungen, die sich veränderten. „Stellen Sie sich vor, Sie kommen in die Pubertät, haben aber mit 27 Jahren schon alle Erfahrungen. Ich würde behaupten meine zweite Pubertät war genau richtig“, verdeutlicht Buschbaum seine Freude. Durch seinen Mut, sein Leben zu verwirklichen, ist er mit diesem Erlebnis belohnt worden.

Operation als Geschenk

Zwei Operationen waren nötig, um Buschbaums Körper von weiblich zu männlich zu transformieren und so an seine Seele anzugleichen. Für ihn ist dieser Begriff enorm wichtig, verdeutlicht eine Angleichung doch, dass er sich nicht von Frau zu Mann verwandelt, sondern sein Äußeres seinem eigentlichen Wesen anpasst. Diese Anpassung hielt er für seine Aufgabe: „Jeder muss für sich entscheiden, welches Risiko er eingehen möchte, um der Mensch zu sein, der er tatsächlich ist. Das hat ja nicht nur mit der Geschlechtsangleichung zu tun.“ Die Frage eines Besuchers auf einer Lesung, ob er nicht Gott spielen würde, kann er klar mit Nein beantworten. Er selbst sei nicht derjenige, der über Erfolg und Misserfolg zu entscheiden hatte: „Gott oder das Universum hätte mich während der Operation auch sterben lassen können. Doch ich lebe und mir geht es gut.“

Vor der zweiten OP, in der sein Penis geformt wurde, entwickelte er eine Vorfreude auf die kommende Zeit: „Ich wusste, wenn ich morgen aufwache, dann bin ich vollständig. Das war ein tolles Geschenk.“ Durch den Penis war er für sich vollständig geworden. Er konnte Dinge erleben, die für ihn ohne männliches Geschlechtsorgan unmöglich waren: Im Stehen auf die Toilette gehen, Sex haben als Mann oder einfach das Gefühl vollständig zu sein. „Das war ein großes Aha-Erlebnis“, freut sich der ehemalige Spitzensportler noch heute.

Sein ganzes Leben lang wird er alle drei Monate Testosteron gespritzt bekommen, natürlich unter ärztlicher Aufsicht. Seit einigen Jahren gibt es für transsexuelle Sportler die Möglichkeit nach einer Transformation wieder aktiv am Wettkampfgeschehen teilzunehmen. Doch dies kam für Buschbaum nicht in Frage: „Ich habe 15 Jahre meines Lebens Leistungssport gemacht. Das hat gereicht, denn ich habe mich nur darauf konzentriert. Jetzt kann ich auch andere Projekte angehen, die unabhängig vom Sport sind. Das ist mir mittlerweile wichtiger.“

Alltägliches Leben ist schön

„Ich habe mich nach einem normalen Leben gesehnt, ohne mich verstecken zu müssen“, resümiert Buschbaum. Früher wurde jeder Gang zum Friseur, jeder Security-Check am Flughafen zum Spießrutenlauf, heute ist alles ganz alltäglich.

Das komplexe Denken einer Frau wird sehr durch das Östrogen gesteuert, weswegen Buschbaum behauptet, dass sein Leben als Mann einfacher ist. „Ich würde behaupten, dass ich momentan der Vermittler zwischen Mann und Frau bin. Ich übersetze für den Mann das Verhalten der Frau“, lacht der „Frauenversteher“. „Dabei glaube ich heute, dass sich Frauen mit ihrem Denken manchmal selbst im Weg stehen.“

Heute mit sich im Reinen

„Jetzt im Nachhinein würde ich behaupten, dass alles, was mir widerfahren ist, mir auch zugutekam“, ist sich Buschbaum sicher. Negative Begegnungen hatte er nach der OP nie. Auch den Grund glaubt Buschbaum zu kennen: „Ein Mensch strahlt aus, was er ist und wie er fühlt, das wird nicht nur über Worte transportiert. Wenn man in meine Augen blickt, sieht man, wie glücklich ich bin. Da verpuffen alle bösen Worte schon vorher, weil sie bei mir nicht ankommen würden. Ich fühle mich einfach rundum wohl.“


Balian Buschbaum hat seine Geschichte als Buch veröffentlicht:

Blaue Augen bleiben blau - Mein Leben

Krüger Verlag