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Marathonlauf – für Amateure geeignet?

Einmal einen Marathon laufen - dieses Ziel haben viele, zeigt es doch Willen, Motivation, Ausdauer. Aber ein Marathon ist nicht ohne - gerade für Amateure. Prof. Dr. med. Curt Diehm klärt in seinem Gastbeitrag über die Risiken auf.
Marathon ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Volkssport geworden. Durch alle Bevölkerungsschichten zieht sich der Ehrgeiz, über 42 Kilometer am Stück laufen zu wollen. Es gibt in Deutschland immer mehr entsprechende Veranstaltungen mit immer mehr Startern. Große Events wie in New York, London oder Berlin erhöhen noch die Anziehungskraft und animieren weitere Freizeitläufer. Einmal vom Hype abgesehen und dem Glücksgefühl, oft mehrere Stunden am Stück konzentriert zu laufen, lohnt ein Blick auf die medizinische Seite des Marathonlaufes.

Zunächst die positiven Seiten: Ziele im Sport zu haben, ist immer gut, gerade wenn es sich um ein so ambitioniertes Ziel wie einen Marathonlauf handelt. Es hilft, tägliche Trainingseinheiten zu absolvieren, weniger Alkohol zu trinken, das Rauchen aufzuhören und allgemein gesünder zu leben. Wer lange Strecken läuft, hat das Körperfett im Auge und senkt das Cholesterin.

Doch was bislang oft nicht bedacht wird und in der Euphorie über den Trend zum vermeintlich gesunden Langstreckenlauf gerne untergeht, sind gesundheitliche Gefährdungen. Diese sind nicht von der Hand zu weisen. Bekanntlich lief vor 2500 Jahren ein Bote von der Schlacht bei Marathon nach Athen, um vom Sieg über die Perser zu berichten – dann fiel er der Legende nach tot um.

Risiko 1: Vielfach sind unter den Teilnehmern von Langstreckenläufen Sportneueinsteiger mit typischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Patientengruppe muss vor dem Marathonlauf unbedingt gründlich untersucht werden, ob sie überhaupt im Stande sind, eine so lange Höchstleistung durchzustehen. Für mich gilt sogar die Regel: Wer ernsthafte Herzkreislauf-Probleme hat, sollte die Finger vom Marathon lassen.

Risiko 2: Auch für nicht Herzkreislaufpatienten werden die Auswirkungen von Marathonläufen auf das Herz von Experten zunehmend skeptischer gesehen. Herzspezialisten wissen seit kurzem, dass der Personenkreis, der in einem Alter zwischen 30 und 50 Jahren häufige Langstreckenläufe absolviert hat, anschließend durchaus häufiger zu gewissen Herzkreislauferkrankungen (beispielsweise Herzrhythmusstörungen) neigt wie die Personengruppe, die keine derartigen Belastungen absolvierte.  

Es gilt zu bedenken: Die besten Zeiten liegen heute knapp über zwei Stunden. Bei den Frauen ist eine Britin die Rekordhalterin mit einer Marathon-Zeit von 2:15:25 Stunden. Amateure hingegen quälen sich oft über drei, vier oder fünf Stunden. Wer nicht wirklich gut vorbereitet ist, setzt seinen Herzkreislauf also oft mehr als doppelt so lange einem Härtetest aus wie Profis.

Risiko 3: Die Gefäße von Marathonläufern weisen oft mehr verkalkte Plaques an den Koronargefäßen auf als Nicht-Marathonläufer. Amerikanische Kardiologen haben in einer Studie mit computertomographischen Gefäßdarstellungen Herzkranzgefäße von 25 ambitionierten Langestreckenläufern untersucht. Im Vergleich zu 23 Nichtathleten (Kontrollgruppe) war das Volumen kalzifizierter Plaques in den Koronararterien bei durchtrainierten Ausdauersportlern signifikant größer. Eine Theorie ist, dass die Kalkplaques durch Entzündungsreaktionen unter Ausdauerbelastungen hervorgerufen werden können.

Risiko 4: Und nochmals das Herz. Marathonlaufen begünstigt Vorhofflimmern. Herzspezialisten aus der Schweiz haben aufgezeigt, dass regelmäßiger Ausdauersport bei Athleten im mittleren Alter eine häufig auftretende Herzrhythmusstörung, das sog. Vorhofflimmern, begünstigen kann.

Risiko 5: Viele Läufer bekommen Stressfrakturen. Besonders exponierte Stellen am Fuß sind gefährdet. Über 70 Prozent aller Überlastungsbrüche ereignen sich im Laufsport. Meist wird die Diagnose nicht oder zu spät gestellt. Oft sind die Frakturen auf einem normalen Röntgenbild nicht zu erkennen. Wesentlich besser geeignet ist die Kernspintomographie (MRT). Nur bei früher Diagnosestellung kann eine optimale Therapie erfolgen.

Risiko 6: Marathonläufe schaden der Hüfte. Aus einer Studie der Universitätsklinik in Heidelberg mit 20 ehemaligen Marathonläufern geht hervor, dass Marathonlaufen eher der Hüfte als den Kniegelenken schadet. Bei den Langstreckenläufern wurden an vier rechten und sechs linken Hüftgelenken eine leichte Arthrose festgestellt. In den Kniegelenken der Sportler wurde nur dreimal eine leichte Arthrose beobachtet.

Risiko 7: Auf langen Strecken läuft die Haut Gefahr. Eine Studie aus Österreich zeigt, dass bei Langstreckenläufern die Wahrscheinlichkeit einer Hautkrebserkrankung gegenüber Nichtläufern deutlich erhöht ist. Als Gründe nennen die Wissenschaftler den verstärkten Kontakt mit UV-Strahlen sowie ein während der Extrembelastung geschwächtes Immunsystem der Läufer. Das Melanomrisiko steigt deutlich an. Es ist umso höher, je größere Strecken eine Person regelmäßig läuft. Fast alle bösartigen Veränderungen waren an sonnenexponierten Körperstellen wie Waden und Oberschenkel festgestellt worden.

Risiko 8: Nicht zu viel Wasser trinken! Bei stundenlanger Ausdauerbelastung verliert der Körper massiv Flüssigkeit und Kochsalz. Sportler sollen deshalb genug, aber nicht zu viel trinken. Wichtig ist auch eine ausreichende Zufuhr an Kochsalz. Auch viele Freizeitsportler gehen heute bei Ausdauerbelastungen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Es kommt häufig zu Störungen des Flüssigkeits- und Mineralhaushaltes.

Der Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.





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