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Nächtliches Einnässen und Inkontinenz bei Kindern

Kindliche Inkontinenz und nächtliches Einnässen, die sogenannte Enuresis, sind Themen, über die sich Eltern eher ungern untereinander austauschen. Welche Ursachen dahinter stecken und was Eltern tun können, berichtet PD Dr. med. Annette Schröder, leitende Oberärztin der Klinik für Kinderurologie in Regensburg.
10 Prozent aller Kinder in Deutschland wachen auch im Grundschulalter noch regelmäßig in nassen Betten auf – Eine Belastung für Eltern und Kind. Normalerweise werden Kinder in einem Alter zwischen zwei und drei Jahren tagsüber trocken, oft mit einer leichten Verzögerung dann auch nachts. Kann ein Kind seinen Harndrang am Tage im fünften Lebensjahr immer noch nicht kontrollieren, spricht man aus medizinischer Sicht von einer kindlichen Inkontinenz.

Ursachen von Inkontinenz und Einnässen im Kindesalter
Allerdings ist Inkontinenz im Kindesalter keineswegs mit Inkontinenz im Erwachsenenalter zu vergleichen, denn die Ursachen sind bei Kindern andere. „Während Blasenschwäche bei Erwachsenen häufig auf anatomische Probleme wie eine Beckenbodenschwäche zurückzuführen ist, handelt es sich bei Kindern oft um Reifungsverzögerungen oder funktionelle, also nicht-organische Störung der Blase. Die Blase an sich ist also in Ordnung, nur das System ist noch nicht ausgereift“, erklärt Dr. med. Annette Schröder. Äußerst selten hingegen sei kindliche Inkontinenz anatomisch bedingt, zum Beispiel durch einen angeborenen Defekt am Schließmuskel oder einen doppelten Harnleiter, der an falscher Stelle mündet.

Formen von kindlicher Inkontinenz

Insgesamt lassen sich drei Formen von funktioneller Blasenstörung im Kindesalter unterscheiden:

Enuresis

Der Fachbegriff Enuresis bezeichnet das nächtliche Einnässen des Kindes im Schlaf. Übersteigt die nächtliche Urinproduktion das Fassungsvermögen der Blase und hat das Kind hat einen tiefem Schlaf,  merkt es den dadurch entstehenden Harndrang nicht und nässt ein.

Wenn ein Kind noch nie trocken war, spricht man von einer primären Enuresis. „Interessant zu wissen ist, ob die Eltern in ihrer Kindheit auch eingenässt haben, denn Einnässen im Kindesalter ist vererblich. Kinder sind also wesentlich häufiger betroffen, wenn auch ihre Eltern mit derartigen Problemen im Kindesalter zu kämpfen hatten.“ War ein Kind über einen Zeitraum von länger als sechs Monaten bereits trocken, nässt aber plötzlich wieder regelmäßig ein, handelt es sich um eine sekundäre Enuresis. „Bei einer sekundären Enuresis sollte der Arzt gleichzeitig immer überprüfen, ob ein traumatisches Ereignis wie ein Umzug, die Scheidung der Eltern oder aber eine neue Schule zu dem erneuten Einnässen geführt haben könnte. Das kann, muss aber kein Faktor sein“, betont die Kinderurologin.

Inkontinenz im Kindesalter

Von Inkontinenz im Kindesalter ist die Rede, wenn das Kind auch tagsüber Urin verliert. Eine mögliche Ursache dafür ist der sog. Miktionsaufschub. Die Kinder ignorieren ihren Harndrang und zögern den Toilettengang so lang wie möglich hinaus. „Häufig geht die Inkontinenz auch mit Verstopfung einher. Wenn ein Kind besonders harten Stuhlgang hat, kann dies mit Ursache aber auch Folge einer Blasenstörung sein. Denn wenn Kinder die Miktion aufschieben, schieben sie auch den Stuhlgang“, erklärt Schröder. Kinder die tagsüber inkontinent sind, nässen häufig auch im Schlaf ein.

Mischform von Enuresis und Tages-Symptomen

Auch eine Kombination von Enuresis und Symptomen am Tage ist möglich. Die Kinder nässen in diesem Fall zwar nur nachts ein, zeigen tagsüber aber Auffälligkeiten. Das heißt sie gehen auffällig häufig oder selten auf die Toilette. Charakteristisch sind auch sog.  Haltemanöver, wie die Expertin erklärt: „Mädchen gehen typischerweise in die Hocke und setzen sich auf ihre Fersen oder sie fassen sich in den Schritt. Jungen wiederum kneifen sich in die Eichel oder überkreuzen ihre Beine.“

Beobachten Eltern derartige Symptome bei ihrem Kind, sei laut Schröder ein Besuch beim Kinderurologen ratsam. Diesem stehen verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung, um die funktionelle Blasenstörung langfristig zu beheben.

Behandlungsmöglichkeiten von Inkontinenz bei Kindern

Insbesondere wenn das Kind auch tagsüber einnässt, sollten Eltern vor dem Besuch eines Kinderurologen die Trinkgewohnheiten und Miktionsfrequenz ihres Kindes über 2 Tage und Nächte genau dokumentieren. Bei der Enuresis hilft es dem Arzt, wenn ein Protokoll geführt wird, in dem über 2 Wochen dokumentiert ist, wie oft das Kind einnässt.

„Allen Behandlungsmöglichkeiten voran steht die Urotherapie als initiale und rein konservative Therapieform. Entscheidend ist, den Kindern und Eltern zu erklären, wie die Blase überhaupt funktioniert und was passiert, wenn man etwas trinkt“, erläutert Schröder. „Neben anderen Tips und Anleitungen versucht man einen gewissen Rhythmus im Trink- und Miktionsverhalten des Kindes zu etablieren.“

Stellt sich trotz Optimierung der Trinkgewohnheiten keine Verbesserung der Enuresis, des Einnässens im Schlaf, ein, gibt es zwei Therapieoptionen. Als erste Möglichkeit wird ein Alarmgerät (Klingelhose oder –matratze)  verwendet, welches immer anschlägt, wenn das Kind einnässt. „Diese Methode ist zwar relativ aufwändig, weil am Anfang meist zwar die Eltern, aber  nicht das Kind geweckt werden, die Eltern dann aufstehen und das Kind wecken müssen, führt aber langfristig oft zum Erfolgr, da dem Kind auf diese Weise der Harndrang als Weckreiz antrainiert wird“, erklärt Dr. Schröder. Als zweite Option gibt es ein Medikament, das die nächtliche Urinausfuhr drosselt. Das helfe zwar sehr schnell und effektiv, habe aber nicht den Lerneffekt wie die beschriebene Alarmtherapie mit der Klingelhose.

Für Kinder mit Kontinenz- und/oder Miktionsproblemen auch am Tage stehen weitere Therapieoptionen zur Verfügung, die der behandelnde Arzt dann nach Stellung der entsprechenden Diagnose mit den Eltern besprechen muss.

Es gibt sehr „schwere“ Enuretiker, die jede Nacht einnässen und schlecht auf die Behandlung ansprechen. Diese Kinder sollten in Zentren mit großer Erfahrung behandelt werden und können von der sogenannten „Blasenschule“ profitieren, die an einzelnen Zentren angeboten wird. Gleiches gilt für Kinder mit hartnäckiger Tagessymptomatik und Inkontinenz am Tage, die trotz längerer Behandlung weiterhin Probleme haben.

Wie verhalten sich Eltern am besten?

Zu einer erfolgreichen Therapie gehört zudem die aktive Mitarbeit der Kinder wie auch der Eltern. „Die Kinder müssen motiviert sein, denn sie müssen im Prozess des Trockenwerdens erheblich mitarbeiten. Auf Elternseite ist es daher besonders wichtig, dem Kind Verständnis entgegenzubringen. Sie müssen ihrem Kind deutlich machen, dass es nichts dafür kann und dass es mit seinem Problem nicht alleine ist. Vor allem dürfen Eltern ihr Kind nicht schimpfen. Auch wenn Kinder das Problem oft herunterspielen, leiden sie doch erheblich unter dem Einnässen“, unterstreicht Schröder.