Gewolltes Wunder – Inkomplett Querschnittsgelähmter geht Markus Holubek

Gewolltes Wunder – Inkomplett Querschnittsgelähmter geht

„Ich kann das nur empfehlen. Wenn Sie wirklich etwas Fieses machen wollen, dann nehmen Sie am BraveheartBattle teil“, lacht der inkomplett querschnittgelähmte Markus Holubek, der den Extremlauf im bayrischen Münnerstadt erfolgreich absolviert hat. Aufrecht, auf beiden Beinen. Seine Motivation war letztlich eine einfache: „Weil es geil ist und Spaß macht.“

Das Leiden zwischendurch war allerdings groß: „Nach zehn Kilometern war bei mir alles leer. Sowohl meine Tanks, als auch meine mitgeführten Zusatztanks. Mein Wasser war leergetrunken. Ich war vollkommen dehydriert. Als ich bei der zweiten Verpflegungsstation ankam, hatten die leider schon abgebaut. Sie haben nicht dran gedacht, dass da noch einer im Rennen ist, der etwas länger braucht als andere.“ Trotzdem hat Markus Holubek die 24 Kilometer lange Strecke und vor allem die 45 schweren Hindernisse beim diesjährigen BraveheartBattle gemeistert. Das ist an sich schon eine Leistung, denn mehr als 100 gestartete Teilnehmer sind nicht ins Ziel gekommen. Verletzungen, wie Knochenbrüche und schwere Schürfwunden, Unterkühlungen oder vollkommene Erschöpfung waren für einige Starter Grund zur Aufgabe.

Wenn man Markus Holubeks Geschichte kennt, ist seine Leistung umso höher zu bewerten: Er ist die gesamte Strecke gegangen, denn Laufen kann er nicht. Seit einem Skiunfall im Jahr 2007 ist der Bonner inkomplett querschnittsgelähmt. Dass er überhaupt wieder gehen können würde, haben seine Ärzte nicht wirklich geglaubt.

Schlamm und Wasser machen die Stiefel schwerholubek_braveheart_klein

„Wenn ich zu Fuß gehe, ist das für mich so anstrengend wie für jemanden, der zügig joggt. Meine Bauchmuskulatur übernimmt meinen Po und meine Oberschenkel meine Unterschenkel“, erklärt Holubek seine Fortbewegungstechnik. Schwer wurde es bei dem Extremlauf bereits ab Kilometer zwei: Holubeks Stiefel waren durch die ersten matschigen Hindernisse nass und schlammig, wogen deshalb pro Stück über zwei Kilogramm. Und noch hatte er 22 Kilometer Strecke und etliche Hindernisse vor sich. Letztere stellten dabei das deutlich kleinere Übel dar: „Bei den Hindernissen habe ich weniger Probleme als andere. Meine Armmuskulatur ist besser und so kann ich mich rüber hangeln. Problematisch waren die Schlammgruben. Ich habe keinen Muskeltonus in den Füßen und konnte mich deswegen nirgends mit ihnen reindrücken.“

Dauernd dachte er: „Warum gebe ich mir diesen Dreck hier eigentlich?“ Vor allem, als es Dunkel wurde und mithilfe von Quads das Gelände für ihn ausgeleuchtet werden musste. Zudem waren nur noch wenige Zuschauer an der Strecke, die jubelten oder ihn anderweitig motivierten. „Das war wohl nicht geplant, dass man bis in die Dunkelheit unterwegs ist. Aber ich war nicht der letzte, hinter mir kamen noch andere.“

Schwerer Skiunfall ändert sein Leben

Dass er überhaupt an dem Wettbewerb teilnehmen konnte, ist Glück im Unglück. Bei seinem Skiunfall hätte er auch anders fallen können, dann wäre er nicht inkomplett querschnittsgelähmt, sondern tot. Heute ärgert sich der 47-Jährige über seine Waghalsigkeit: „Ich habe doch Verantwortung für meine Familie.“ Bei dem Skirennen „Weißer Ring“ am Arlberg hatte er bereits teilgenommen und wollte besser abschneiden als zuvor. So folgte er einem Skilehrer, der allerdings die falsche Linie gewählt hatte. Er stürzte, Holubek Sekunden später ebenfalls. „Mein Handgelenk war zertrümmert, stand im ekligen Winkel ab. Doch den Schmerz habe ich gar nicht gespürt, mein Rücken hat alles überstrahlt.“ Sofort habe er gewusst, dass er querschnittsgelähmt ist: „Das weiß man einfach.“ Doch ein bisschen Hoffnung hatte er noch. Sein einer Oberschenkel war noch leicht druckempfindlich. Fortan fürchtete er, dass beim Transport ins Krankenhaus noch mehr kaputt geht.

Das passierte aber glücklicherweise nicht, im Krankenhaus war klar: Der erste Lendenwirbel ist gebrochen und 95 Prozent des Rückenmarks sind durchtrennt. Ab dem Bauchnabel hatte er kein Gefühl mehr im Körper – er war wirklich querschnittsgelähmt. „Man denkt nicht das Schlimmste, sondern das Schlimmste ist für einen bereits passiert. Man ist zwar erst einmal voll auf der Fresse, aber dennoch irgendwo glücklich, dass man überhaupt überlebt hat“, erklärt Holubek seine Gedanken.

Mitleid unerwünscht

„Ich war schon immer ein Mensch, der wenig, vielleicht zu wenig Angst hat“, beschreibt sich der selbstbewusste Bonner. „Mitleid gibt es bei mir nicht und ich selbst brauche es auch nicht. Das ist zum Kotzen und macht mich krank. Die Leute bemitleiden sich oft in Wirklichkeit nur selbst, weil ihnen das auch hätte passieren können“, ist ein weiteres Statement. So hat er auch nur bestimmte Personen zu sich ans Krankenbett gelassen. Seinen Vater hat er beispielsweise erst gesehen, als der sich nach zwei Monaten für seine eigene Reha ins Zimmer nebenan einweisen ließ.

„Der eine gibt sich in einer solchen Situation auf, der andere denkt sich: Scheiß drauf – weitermachen.“ Holubek gehört eindeutig zur zweiten Gruppe: „Ich bin ein Mensch, der sein Schicksal sofort akzeptiert. Alles andere ist sinnlos.“ Darum macht er heute auch fast so weiter wie vorher: „Ich setzte mich nur nicht mehr unter Lebensgefahr. Das geht ja auch nicht mehr. Ich habe halt nicht mehr die Möglichkeit solche Geschwindigkeiten zu fahren.“ Grundsätzlich wird er aber sein Leben lang Sport machen und sich Herausforderungen stellen.

Bewussteres und gesünderes Leben

Holubeks Alltag ist heute ein wenig ruhiger. Er braucht für Vieles mehr Zeit, sei es um von A nach B zu kommen oder einfach beim Gang auf die Toilette. Zudem lebt er gesünder, achtet sehr auf seine Ernährung und seine Fitness. Vor allem seine Bauch- und Oberschenkelmuskeln trainiert er täglich, weil sie seine Stützen sind. Ohne sie wäre er, wie direkt nach dem Unfall, auf einen Rollstuhl angewiesen. „Insgesamt lebe ich viel bewusster.“

Auf Alkohol verzichtet er: „Das ist Gift für Leute wie mich. Bei Leuten, die neuromuskuläre Schäden haben, gibt es nichts, was zerstörerischer ist.“ Deswegen ist Alkoholverzicht auch eine der Voraussetzungen, die er bei seinen eigenen Patienten fordert. Denn seine Erfahrungen gibt Holubek als Mentaltrainer in Gesprächsrunden und Therapien weiter.

Anderen auf die Beine helfen

„Ich möchte Leute haben, die das durchziehen und denen trete ich auf die Füße. Ich schreie sie dann auch an, wenn sie nicht voll dabei sind“, verdeutlicht Holubek seine Härte. Ohne einen gewissen Nachdruck komme häufig nicht bei seinen Patienten an, wie wichtig Zielstrebigkeit ist. Auch Betroffenen, die nur am Telefon von ihm beraten werden wollen, muss er meistens Absagen erteilen: „Ich muss die Leute sehen. Dann sage ich ihnen was geht und was nicht. Bisher musste ich sechs Leuten sagen, es geht Nichts, ich kann dir nicht helfen, denn du bis komplett querschnittsgelähmt.“ Fünfzehn Prozent der Menschen, die zu ihm kommen, erreichen ihre Ziele, schätzt der Mentaltrainer. Dabei ist nicht nur wichtig, wieder Laufen zu können, sondern vor allem die Organgesunderhaltung steht im Mittelpunkt seiner Therapien.

„Mit dem Unfall habe ich nach der Operation bereits abgeschlossen, danach begann die Arbeit“, sagt Holubek. Manchmal hat er zwar noch Träume, in denen er an Laufveranstaltungen teilnimmt und in der Spitze dabei ist. „Irgendwann merke ich, dass ich ja gar nicht laufen kann. Aber dann bin ich sofort wieder in meinem neuen Film drin.“ Von Extremsportarten und sonstigen gefährlichen Situationen will er anderen trotz seiner Erfahrung nicht abraten. Nur wer eine Familie hat, sollte nichts vorsätzlich Gefährliches tun. „Ansonsten: Let‘s go. Das ist immer die eigene Entscheidung.“ Markus Holubek sagt überzeugt: „Ich habe ein geiles Leben, besser geht es nicht.“

 

Markus Holubek hat ein Buch über seinen Werdegang geschrieben:

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Gelähmt sind wir nur im Kopf!
Von einem, der sich weigerte, im Rollstuhl zu sitzen, und heute andere auf die Beine bringt.

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