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Gesund mit Diehm

Hypochonder – Der eingebildete Kranke

Hypochonder werden oft belächelt, denn sie – so heißt es – denken ja nur, sie seien krank. Dabei leiden sie real unter einer sehr ernsten Erkrankung: Der Hypochondrie. Informationen rund um den menschlichen Körper und die Gesundheit – erklärt von Prof. Dr. Curt Diehm.
Hypochonder, so sagt der Volksmund, werden alt. Warum? Weil sie wegen jedem Wehwehchen zum Arzt laufen und so immer perfekt durchgecheckt und behandelt sind. Doch das ist nur die eine Seite der sprichwörtlichen Medaille, denn Hypochondrie ist eine eigenständige Krankheit mit häufig sehr hohem Leidensdruck für die Betroffenen und nicht selten auch deren Angehörige.

Was ist Hypochondrie

Als Hypochonder gelten Menschen, die seit mindestens einem halben Jahr unter unerklärlichen körperlichen Krankheitszeichen leiden. Aus chronischer Angst vor Krankheiten kontrollieren Hypochonder ihren Körper und seine Funktionen mit größter Aufmerksamkeit. Sie leiden an einer exzessiven Selbstbeobachtung und Überbewertung von möglichen Krankheitssymptomen. Sie entwickeln permanente Ängste und Zwänge, die sie immer wieder zu ihren Ärzten treiben. Quälende und hartnäckige psychochondrische Ängste schränke ihre Lebensqualität stark ein.

Und während die meisten Menschen beruhigt sind, wenn der Arzt Entwarnung gibt und keine körperliche Ursache finden, sind Hypochonder überzeugt, er habe etwas übersehen. Sie drängen auf zusätzliche Untersuchungen und suchen nicht selten weitere Ärzte auf. So wird in ihrer Vorstellung nicht selten aus harmlosen Herzrhythmusstörungen ein Herzinfarkt, eine braune Pigmentierung der Haut wird zu Melanomgefahr (schwarzer Hautkrebs).

Von der Gesellschaft werden Hypochonder häufig belächelt. Oft wird von den „eingebildeten Kranken“ gesprochen. Doch Hypochondrie ist eine Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Hypochondrie als ein eigenständiges psychisches Leiden.

Hypochondrie kann zusätzlich krank machen

Hypochonder sind häufig eher ängstliche Menschen. Typischerweise leiden sie auch unter einem gesteigerten Erregungsniveau, reagieren also selbst auf kleine Reize besonders schnell mit erhöhtem Herzschlag. Sie sind psychisch eher instabil und neigen zu Katastrophendenken. Kommen zu diesen Risikofaktoren noch zusätzliche Belastungen oder Stress hinzu, kann sich schnell eine hypochondrische Störung entwickeln.

Das alles belastet die Psyche extrem, kann aber auch für den Körper gefährlich werden. Erst im vergangenen Jahr hat eine Studie in Norwegen mit über 7.000 Teilnehmern belegt, dass Hypochonder durch ihre starken Sorgen mehr als doppelt so häufig Herzinfarkte und akute Verengungen der Herzkranzgefäße erleiden. Das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, lag bei den ängstlichen Teilnehmern um 73 Prozent höher als bei der Vergleichsgruppe. Und je ausgeprägter die Ängste waren, desto größer war auch das Infarkt-Risiko.

Hypochondrie kann behandelt werden

Man vermutet übrigens, dass etwa einer von 200 Deutschen an einer ernsthaften hypochondrischen Störung leidet.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihnen ein solches Hypochondrie-Problem vorliegt, sollten Sie unbedingt einen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater aufsuchen. Das gilt auch für Menschen in Ihrem direkten familiären Umfeld. Mehr als bei körperlichen sind sie bei psychischen Erkrankungen auf Ihre Hilfe angewiesen.
Hypochondrie heilt nicht von allein. Im Gegenteil: Betroffene bewegen sich in einem Teufelskreis. Doch die Therapiechancen sind heute sehr gut. Die Krankheit lässt sich meist innerhalb weniger Monate durch eine konsequente Verhaltenstherapie sehr gut behandeln und beherrschen.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

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