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  • 26. Juni 2017
  • Prof. Dr. med. Curt Diehm
Zahl der übergewichtigen Menschen steigt rasant

Übergewicht kostet Milliarden

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Die Zahl der übergewichtigen Menschen steigt weltweit rasant an. Vor einigen Jahren zeigte eine Langzeitstudie aus 199 Ländern, dass rund 1,5 Milliarden Menschen zu dick sind, 500 Millionen sogar fettleibig (Adipositas). Die Analyse beruht auf dem BMI-Index. Die Zahl der Übergewichtigen ist seither weiter gewachsen. Besonders betroffen: Ärmere und bildungsfremde Menschen – ein weltweites Phänomen.
Die dicksten Menschen leben im Pazifikstaat Nauru. Wenn man die Industrienationen vergleicht, leben die meisten Übergewichtigen in den USA, gefolgt von Neuseeland. Auch Mexikaner und Chilenen gelten als besonders dick. Das geringste Übergewicht findet sich in Japan. Deutschland liegt bei der Zahl an Übergewichtigen bei den Männern auf Platz zehn (durchschnittlicher BMI von 27) und bei den Frauen auf Platz siebzehn (durchschnittlicher BMI von 26). Das geringste Übergewicht insgesamt findet sich in Asien, nämlich in Bangladesch und in Indien, sowie im afrikanischen Kongo. Doch selbst für Asien gilt dies nicht durchgängig. Chinesen beispielsweise werden immer dicker. 200 Millionen Übergewichtige leben inzwischen in China. Der Einfluss der westlichen Welt führt zu einer Veränderung in der Ernährung, weniger Sport und insgesamt zu einem bewegungsarmen Lebensstil. Dies lässt auch in China die Bäuche schwellen.
Bemerkenswert: In Europa schneiden Norwegen und die Schweiz günstig ab.

Fettleibigkeit ist heute insbesondere in den USA ein Problem und es gibt keine Anzeichen, dass die Zahl der Dicken dort nicht weiter steigt. So ist es ein vorrangiges Ziel der amerikanischen Politik, die Epidemie Fettsucht mit ungewöhnlichen Maßnahmen zu bekämpfen. Im Stadtrat von San Francisco hat man beispielsweise diskutiert, dass Fast-Food-Ketten verboten werden sollen. Für die Zubereitung von Gerichten in Restaurants sollen besondere Regelungen gelten: Mahlzeiten dürften demnach nicht mehr als 600 Kilokalorien überschreiten, weniger als 25 Prozent der Kalorien dürfen Fett sein. Solche radikalen Regelungen könnten helfen.

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Definition

Übergewicht und Adipositas sind definiert als eine über das normale Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfettgewebes.

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Das Ausmaß des Übergewichts wird mit dem BMI erfasst. Es ist verantwortlich für das metabolische und kardiovaskuläre Gesundheitsrisiko. Das Bauchfett hat eine besondere Bedeutung. Die Bauchfettmenge korreliert ganz eng mit den Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Ein einfacher Parameter zur Beurteilung des Bauchfetts ist die Messung des Taillenumfangs.

Bei einem Taillenumfang von >88 cm bei Frauen bzw. >102 cm bei Männern liegt eine sogenannte abdominale Adipositas vor.

Die Weltgesundheitsorganisation und die nationalen Ernährungsgesellschaften empfehlen stets eine Messung des Taillenumfangs bei einem BMI über 25.

Gesundheitliche Folgen

Adipöse Menschen haben eine 8 bis 10 Jahre kürzere Lebenserwartung als normalgewichtige. Adipöse sind auch viel häufiger krankgeschrieben.

Gesicherte Folgekrankheiten sind:

• Herzinfarkt
• Linksherzvergrößerung
• Schlaganfall
• hoher Blutdruck/Hypertonie
• Zuckerkrankheit/Diabetes
• Fettstoffwechselstörungen
• Gicht
• Gallenblasenserkrankungen, Fettleber, Refluxkrankheit
• Demenz
• Verschlechterung der Lebensqualität
• Krebs
• Probleme mit Gelenken und Skelett (Arthrose)

Zudem haben Patienten mit Adipositas häufiger psychosomatische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen.

Volkswirtschaftliche Folgen

Die Wohlstandskrankheit Fettleibigkeit kostet Europa jedes Jahr knapp ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Fettsucht schlage bei den direkten Gesundheitskosten europäischer Länder inzwischen mit bis zu 6 Prozent zu Buche, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit. Hinzu kommen indirekte Kosten in etwa doppelter Höhe. Als solche summieren die Experten die verminderte Leistungsfähigkeit oder den plötzlichen Tod übergewichtiger Menschen. Allein Spanien kostet die Fettleibigkeit jedes Jahr geschätzte 2,5 Milliarden Euro.

Schere zwischen dick und dünn öffnet sich

Menschen mit guter Bildung und mit einem hohen Einkommen werden in Zukunft noch gesundheitsbewusster leben. Sozial Schwache hingegen werden sich auch zukünftig deutlich weniger um ihre Gesundheit kümmern. Die Münchner Journalistin und Trendforscherin Corinna Langwieser ist deshalb der Auffassung, dass es in Zukunft mehr „Superdicke“ und mehr „Superfitte“ geben wird.

Gewichtsreduktion durch den Chirurgen

Massives Übergewicht wird inzwischen als eine schwere Erkrankung angesehen. Leider haben bisher konservative Maßnahmen selbst bei besten Behandlungsprogrammen versagt. Hoffnung wird jedoch in die Adipositas-Chirurgie gesetzt, die in Fachkreisen auch als „bariatrische oder metabolische Chirurgie“ bezeichnet wird.

Ab einem Body-Maß-Index (BMI) von 35 werden heute in vielen Ländern die Kosten für chirurgische Eingriffe übernommen, egal ob Begleiterkrankungen vorliegen oder nicht. Immer müssen aber konservative Behandlungsversuche und psychologische Betreuungen vorangegangen sein.

Spezialisierte Chirurgen versuchen dabei, entweder die Nahrungsaufnahme der Patienten zu reduzieren oder den Verdauungstrakt so zu manipulieren, dass die Nährstoffe im Dünndarm nicht mehr aufgenommen werden. Vielfach werden beide Operationstechniken auch kombiniert.

Wenn ein verstellbares Silikon-Magenband implantiert wird, können nur noch kleine Portionen gegessen werden. Bei einem „Magenbypass“ wird der größte Teil des Magens relativ weit oben abgetrennt und damit „lahm gelegt“. Der Magen selbst verbleibt im Körper. Der Dünndarm wird an eine kleine, an der Speiseröhre verbliebene Magentasche angenäht. Es bleibt also ein minimaler Restmagen, der dem Gehirn „satt“ signalisiert. Mit anderen Operationstechniken werden große Teile des Magens entfernt. Oft bleibt nur ein kleiner Restmagen übrig.

Dicke Kinder sind kranke Kinder

Das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen geht bereits mit typischen Gefäßveränderungen und gesteigerten Risikofaktoren einher. Eine österreichische Untersuchung zeigte an 263 stark übergewichtigen Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 18 Jahren bei 260 Kontrollkindern ohne Übergewicht, wie ausgeprägt diese Veränderungen bei den übergewichtigen Kindern sind. So wiesen die übergewichtigen Probanden eine deutlich höhere Intima-Media-Dicke der Halsschlagader auf (Vorstufe für Gefäßverengungen) und sie hatten deutlich höhere Blutdruckwerte. Die Veränderungen an den Halsschlagadern werden heute als erste Hinweise auf eine Atherosklerose gedeutet. Die beschriebenen Gefäß- und Blutdruckveränderungen gehen mit einer chronischen Entzündungsreaktion sowie Fettleberveränderungen einher. Die Untersucher an der Universitätsklinik in Graz sind der Auffassung, dass konsequent gegen das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen vorgegangen werden muss.

Kinder verbringen deutlich mehr Zeit vor dem Fernseher und/oder der Spielkonsole als auf dem Sportplatz. Um Dickleibigkeit entgegen zu treten, müssen wir also mit höchster Aufmerksamkeit bei Kindern und Jugendlichen beginnen.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Gesund mit Diehm
 

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