Was steckt dahinter? – Fragen an einen Biologen zur Delfinschwimm-Therapie Getty Images

Was steckt dahinter? – Fragen an einen Biologen zur Delfinschwimm-Therapie

Delfinschwimm-Therapien sind umstritten. Während Anbieter von therapeutischen Erfolgen berichten, ist sie in den Augen von Tierschützern Tierquälerei. Was steckt hinter dieser Therapieform? Biologe David Pfender, Kampagnen- und Projektreferent der Tierschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation (WDC), beantwortet unsere Fragen im Interview.
Gesuendernet.de: Herr Pfender, gibt es Beweise wie wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit einer Delfinschwimm-Therapie belegen?
David Pfender: Es gibt einige Studien, die sich mit dem Thema beschäftigen. Langfristige Therapieerfolge können jedoch kaum belegt werden. In vielen Fällen kommen die Studien zum Ergebnis, dass es innerhalb der Therapie nur kurzfristige Erfolge gibt. Im Nürnberger Tiergarten gab es vor einigen Jahren eine Studie, bei der die Forscher keinen signifikanten Therapieerfolg ermitteln konnten. Was man festgestellt hat, ist, dass nur bei den Eltern eine positive Wahrnehmung dokumentiert werden konnte – sie hatten das Gefühl, dass es ihrem Kind nach der Therapie besser geht.

Für die Studie wurden zwei Gruppen interviewt: Die Eltern, die die Therapie begleitet haben und eine Gruppe von Studenten, die vorher keinen Kontakt zu den involvierten Personen hatte. Der Gruppe von Studenten wurde Videomaterial der Therapie gezeigt. Anschließend sollten die Eltern und die unabhängigen Studenten bewerten, ob sich hinsichtlich der Beschwerden der Patienten eine Verbesserung einstellte. Genau das konnte aber nicht festgestellt werden. Die Eltern hatten lediglich das Empfinden, dass ihrem Kind die Therapie geholfen hatte.  

Gesuendernet.de: Was denken Sie, warum Delfine eingesetzt werden und nicht beispielsweise Hunde, die schließlich nicht in Gefangenschaft genommen werden müssten?
David Pfender: Man muss sich immer bewusst machen, dass Delfine Wildtiere sind, die viel Kraft haben. Gerade in einer gezwungenen Atmosphäre wie in einem Delfinarium würde ich nur ungern zusammen mit einem Delfin in einem Becken schwimmen. Durch Delfinshows wird der Eindruck vermittelt, dass Delfine immer lächelnde Tiere sind, die gar nicht böse werden können. Der Anreiz, eine solche Therapie mit Delfinen durchzuführen, liegt wohl in der Exotik der Tiere – damit lässt sich nämlich extrem viel Geld machen. Die vermeintliche Freundlichkeit der Delfine wird vorgeschoben, um die Therapieform zu rechtfertigen.

Wenn man sich für eine tierbasierte Therapieform entscheiden sollte, sind langfristige Erfolge eher mit Katzen, Hunden, Pferden etc. zu erwarten – sprich, mit Tieren, die man in der unmittelbaren Umgebung erreichen kann, um diese Therapie regelmäßig in Anspruch nehmen zu können. Damit können auch die Kosten für Anreise und Unterkunft massiv reduziert werden. Wenn dennoch der Fokus auf wasserbasierter Therapieform liegen sollte, bieten einige Einrichtungen beispielsweise Wassertherapien mit Hunden an.

Gesuendernet.de: Kann eine Delfinschwimm-Therapie für den Patienten gefährlich werden?
David Pfender: Ja, das Risiko ist nicht zu unterschätzen. Man kann bei ganz banalen Dingen anfangen: Die Delfine koten und urinieren natürlich ins Wasser. Es besteht also durch die Bakterien eine Ansteckungsgefahr für den Patienten. Um das zu umgehen, wird das Wasser oft hoch chloriert, was wiederum den Tieren schadet. Die Delfinhaut ist sehr empfindlich und hoch chloriertes Wasser führt bei ihnen schnell zu Hauterkrankungen. Außerdem kann es zu Verletzungen kommen. In der Vergangenheit kam es zum Beispiel in den USA bei Interaktionen zwischen Menschen und Delfinen in Delfinarien  immer wieder zu Verletzungen wie Armbrüchen oder Gesichtsverletzungen. Dieses Verhalten lässt sich auf vermehrten Stress zurückführen, dem die Delfine in Gefangenschaft ausgesetzt sind, da sie unangenehmen Situationen nicht wie in freier Wildbahn entfliehen können.

Gesuendernet.de: Wie steht es um die Tierhaltung in sogenannten Delfinarien, in denen Delfinschwimm-Therapien stattfinden? Wie sehen Ihren Erkenntnissen nach die genauen Lebensumstände der Tiere aus?
David Pfender: Das ist von Einrichtung zu Einrichtung verschieden. Wichtig ist der Aspekt der Grundbedürfnisse, die im Delfinarium nicht ausgelebt werden können. Delfine schwimmen in freier Wildbahn bis zu 150 Kilometer am Tag. Wenn man sich jetzt ein Becken vorstellt, das 150 Meter lang ist, – und das wäre schon sehr groß – müsste der Delfin 1000 Mal am Tag hin und her schwimmen, um diese Strecke zu erreichen. Das bedeutet, dass der Alltag der Delfine in Gefangenschaft von Monotonie bestimmt ist, sie verarmen physisch und verfallen häufig in sogenannte Stereotypien – dazu gibt es Studien. Die Delfine schwimmen zum Beispiel immer denselben Kreis oder sie machen Luftkreise und schwimmen hindurch – und zwar zig Mal hintereinander. Es gibt wenig Alternativen für die Tiere – auch das Training ist keine. Auf Kommando zu springen, entspricht beispielsweise nicht dem natürlichen Verhalten eines Delfins. Außerdem finden natürliche  Lernprozesse, die von Delfinen von Generation zu Generation weitergegeben werden, in einem Delfinarium nicht statt – das soziale Leben der Delfine wird gar nicht erst ausgebildet.

Gesuendernet.de: Fürsprecher für Delfintherapien verweisen darauf, dass die Tiere die Nähe des Menschen suchen. Klingt paradox, ist der natürliche Lebensraum des Delfins doch das Meer.
David Pfender: Das ist leider nicht ganz korrekt. Es ist richtig, dass es einzelne Berichte gibt, die eine Neugier von Delfinen am Menschen in freier Wildbahn dokumentieren. Jedoch haben diese Begegnungen immer einen gravierenden Unterschied zu der Begegnung in einem Delfinarium: In freier Wildbahn besteht immer die Möglichkeit für den Delfin, sich wieder zurück zu ziehen. In einem Delfinarium wird dem Delfin die Neugier aufgezwungen.

Gesuendernet.de: Stimmt es, dass Delfine in Gefangenschaft doppelt so alt werden wie in freier Wildbahn? Vorstellbar ist es, schließlich gibt es keine natürlichen Feinde im Pool und in der Regel ist auch ein Tierarzt zugegen.
David Pfender: Diese Aussage ist wissenschaftlich nicht belegt. Das Durchschnittsalter lässt sich auch nur dürftig als Argumentation für das Wohlbefinden verwenden, da das Überleben an eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren gebunden ist. Dementsprechend können Delfine in freier Wildbahn – abhängig von der Population – zwischen 20 und 50 Jahre alt werden.

Hier lesen Sie ein Interview mit einem Anbieter der Delfinschwimm-Therapie, der diese Therapieform befürwortet.

David Pfender