Sinne-Special - Teil 2: Das Hören thinkstock.com

Sinne-Special - Teil 2: Das Hören

In dieser Folge unseres Sinne-Specials befassen wir uns mit dem Gehör. Unsere Ohren ermöglichen uns unsere Umwelt akustisch wahrzunehmen. Wir können mit ihnen „erhören", von wo ein Geräusch kommt und wie weit es etwa entfernt ist. Für bestimmte Töne bleiben unsere Ohren jedoch auch taub.

Stellen wir uns vor, wir befinden uns gemeinsam in der Philharmonie. Die Musiker haben ihre Plätze eingenommen. Gleich beginnt der 4. Satz aus Beethovens 9. Sinfonie – „Freude schöner Götterfunken". Der Dirigent hebt seinen Taktstock, die ersten klaren Töne dringen in unser Gehör und versetzen unseren gesamten Körper in Verzückung.

Doch was geschieht in diesem Moment mit uns? Warum finden wir das, was auf der Bühne passiert, so ergreifend? Wir sind nur deswegen in der Lage das Orchester wahrzunehmen, weil unser Gehörsinn den erzeugten Schall aufzunehmen und zu dem, was wir hören, verarbeiten vermag. Dazu arbeiten Außenohr, Mittelohr und Innenohr mit all ihren einzelnen Bestandteilen perfekt zusammen.

Aufbau des Gehörorgans und Vorgang des Hörens

Der äußere Gehörgang verbindet den sichtbaren Bereich des Ohrs, also die Ohrmuschel, mit den innenliegenden Teilen. Das Außenohr schließt mit dem Trommelfell am Ende des äußeren Gehörgangs ab. Doch schon die Ohrmuscheln tragen maßgeblich zum Hören bei: Sie fangen den Schall auf und orten durch ihre Reflexionseigenschaften die Herkunft des Schallereignisses. Der Schall ist dabei das Resultat langsam oder schnell vibrierender Druckwellen, sodass man hohe und tiefe Töne unterscheiden kann.

Wenn Schallwellen am Ende des äußeren Gehörgangs auf das Trommelfell treffen, wird diese Membran in Schwingungen versetzt. Im Mittelohr, das hinter dem Trommelfell beginnt, trifft diese Schwingung dann auf die Gehörknöchelchen – Hammer, Amboss und Steigbügel. So überträgt sich die Schallwelle vom Trommelfell auf die deutlich kleinere Membran des ovalen Fensters, das schon zum Innenohr gehört.

Das Innenohr hat gleich zwei Organe, das Gleichgewichtsorgan sowie das eigentliche Gehörorgan, das in der so genannten Schnecke im Innenohr liegt. Die Schnecke ist eine Röhre mit zweieinhalb Windungen und besteht aus zwei Gängen. Die untere Paukentreppe führt zum Mittelohr hin, ist in der Schneckenspitze mit der Vorhoftreppe verbunden, die wieder vom Mittelohr wegführt. Die Schallwellen nehmen genau diesen Weg durch die beiden Gänge. Mittig zwischen Vorhoftreppe und Paukentreppe liegt das eigentliche Gehörorgan (Corti-Organ) im Schneckengang. Dieses ist nur durch eine hauchdünne Membran von den beiden umliegenden Gängen getrennt.

Im Gehörorgan, sind die Sinneszellen wie eine Klaviatur entlang der beiden umliegenden Gänge angeordnet. Wenn nun der Schall durch diese Gänge geleitet wird, vibriert auch das dazwischenliegende Gehörorgan mit und regt die Sinneszellen an. Die Sinneszellen, die sich weiter außen an der Basis, also in der Nähe des Mittelohrs mit den Gehörknöchelchen, befinden, sind für die tieferen Töne zuständig. Umgekehrt sind die Zellen, die sich weiter innerhalb der Schnecke befinden, für die höheren Töne verantwortlich. Bei Tönen des Kontrabasses reagieren in unserem Ohr also die Sinneszellen, die weiter außen angebracht sind, bei einem Ton der Piccoloflöte die Zellen, die weiter innen sind.

In der Schnecke findet des Weiteren eine Umwandlung des mechanischen Ereignisses, also der Schallwelle, zu bioelektrischem Strom statt. Dieser hat je nach Tonhöhe Spannungsunterschiede, er wird von den an den Sinneszellen angedockten Nervenzellen verstärkt und schließlich über den Hörnerv zum Gehirn geleitet. Wir hören.

ohr

Gehirn für Interpretation verantwortlich

In der zerebralen Weiterleitung wird nach und nach das Gehörte in Tonhöhe, Lautstärke und Herkunft verarbeitet. Höhere Regionen der akustischen Rindenfelder im Gehirn sind letztlich dafür verantwortlich, das Gehörte zu interpretieren. Dort erkennt das Gehirn, ob es sich um Musik, Sprache oder ein sonstiges Geräusch handelt. So kann unser Gehirn also sowohl die Musik als auch den Text von Beethovens letzter Sinfonie wahrnehmen.

Dass wir die Klangfülle der einzelnen Instrumente während des Konzerts gleichzeitig wahrnehmen, liegt an der so genannten „Fourier-Synthese": In der Großhirnrinde sitzen viele Millionen unterschiedlich spezialisierter Nervenzellen, die gleichzeitig arbeiten und so ein auditives Ereignis synthetisieren.

Sinneszellen wollen gebraucht werden

Ob unser Gehör trainiert werden muss, ist nicht ausreichend nachgewiesen. Sicher ist allerdings, dass die Sinneszellen davon profitieren, wenn sie gebraucht werden. Dabei sollten sie aber natürlich nicht zu großer Lautstärke ausgesetzt werden. In unseren Gefilden ist beispielsweise aus arbeiterschutzrechtlichen Gründen der Lärm auf ein Maximum von 85 Dezibel begrenzt, darüber muss ein Hörschutz getragen werden. Wer in seiner Freizeit ständig laut Musik hört, schädigt seine Ohren dabei genauso, denn die Art von Lärm ist vollkommen unerheblich. Besonders schädlich ist allerdings impulshaltiger Lärm, also ein ständiger Wechsel von leisen, nichtwahrnehmbaren zu plötzlich erklingenden, sehr lauten Tönen. Das Gehirn nimmt diese Art von Lärm als Bedrohung wahr, was Stressreaktionen erzeugt.

Nicht jeder Ton oder jedes Geräusch hat die gleiche Höhe und auch dies kann vom Ohr unterschiedlich aufgenommen werden. Menschen sind fähig Frequenzen zwischen 16 und maximal 20.000 Hertz wahrzunehmen, wobei mit dem Alter das Hörvermögen für hohe Frequenzen nachlässt. Der Ton einer Hundepfeife liegt beispielsweise über der wahrnehmbaren Frequenz, weswegen wir ihn nicht hören können.

Entwicklung unseres Gehörs

Die Entwicklung unseres Gehörorgans beginnt schon früh. Bereits in der 23. Schwangerschaftswoche reagiert der Fötus auf akustische Reize. Auch bekannt ist, dass Neugeborene bereits ab dem vierten Tag nach der Geburt die Stimme der engsten Bezugsperson, meist also der Mutter, von anderen unterscheiden können. Solange nicht bereits zuvor eine Schwerhörigkeit einsetzt, ist der Gehörsinn der Sinn, der beim Tod zuletzt erlischt.

Pflege der Ohren

Der eher unappetitlich aussehende Ohrenschmalz (Cerumen) erfüllt für die Ohren wichtige Funktionen. Das Cerumen erhält den Säureschutzmantel des Ohrs und befeuchtet den Gehörgang. Wenn man ihn entfernt, kann das Ohr zu trocken werden und anfangen zu jucken. Sollte sich aber doch einmal etwas zu viel des Schmalzes im Ohr befinden, kann man diesen mithilfe eines feuchten Lappens aus der Ohrmuschel entfernen. Die beliebten Wattestäbchen sollte man für eine Ohrreinigung jedoch besser nicht benutzen, da das empfindliche Trommelfell verletzt werden könnte. Außerdem schiebt es den Ohrenschmalz im Zweifel eher weiter in das Ohr hinein, als dass es beim Säubern hilft. Sollte sich ein Pfropf aus Ohrenschmalz bilden, ist der Gang zum Ohrenarzt die beste Wahl.

Quellen:
Hülshoff, Thomas: Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik, UTB Stuttgart, 2010, S. 126-145

Huppelsberg, Jens; Walter, Kerstin: Kurzlehrbuch Physiologie, Thieme, 2005, S. 337-345

Klinke, Rainer; Pape, Hans-Christian; Kurtz, Armin; Silbernagl, Stefan (Hrsg.): Physiologie: Lehrbuch, Thieme, 2005, S. 676-687

Probst, Rudolf; Grevers, Gerhard; Iro, Heinrich (Hrsg.): Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Thieme, 2008, S. 144-280

Zervos-Kopp, Jürgen: Anatomie, Biologie und Physiologie, Thieme, 2009, S. 388-396

 

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