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Sinne-Special – Teil1: Das Sehen

Unsere Wahrnehmung ist das Medium, das uns mit der Außenwelt verbindet. Ohne sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen zu können, wäre unser Dasein kaum vorstellbar. Doch wie funktionieren unsere Sinne? Mit dieser Frage setzt sich unser neues „Sinne-Special" auseinander. In dieser ersten Folge geht es um das Thema Sehen...

Stellt Euch vor, wir stehen im Louvre und betrachten das berühmte Antlitz der Mona Lisa. Wir folgen Leonardos Pinselstrichen und bemerken die unglaubliche Detailliertheit seines Werkes. Unsere Augen nehmen alle Farben und Formen auf und können jede Einzelheit begutachten und gleichzeitig das Gesamtwerk erfassen. Doch was geschieht in dem Augenblick, wie sind wir im Stande all diese Schönheit zu erfassen? Wie funktioniert das Sehen?

Anatomische Aufbau der Augen

Das Auge befindet sich in der Augenhöhle und enthält den Sehnerv (nervus opticus) sowie die Muskeln, die für seine Bewegung zuständig sind. Der Sehnerv setzt hinter dem Augapfel an und zieht zum Gehirn, wo er die Informationen, die auf der Netzhaut auftreffen, an das Sehzentrum weitergibt. Das Auge wird von den Augenlidern umschlossen, die ihm den nötigen Schutz bieten. In den Augenlidern befinden sich Drüsen, die Tränenflüssigkeit ins Auge transportieren und es so reinigen und nähren.

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Das Auge selbst besteht aus unterschiedlichen Gewebsschichten. Wir gehen sie von außen nach innen ab. Die äußerste ist die Bindehaut, eine Schleimhaut. Sie überzieht den Augapfel und die Lidinnenseite. Die Bindehaut ermöglicht es den Lidern, schnell und leicht über den Augapfel zu gleiten. Die Hornhaut (cornea) ist durchsichtig und lässt Licht ins Auge hinein. Deswegen nennt man sie auch „klares Fenster". Die Pupille ist die Öffnung in der Iris. Sie lässt das Licht ins Augeninnere. Hinter der Pupille befindet sich die Linse. Sie wird von den sie umgebenden Muskeln und Fasern (Ziliarmuskeln und Zonulafasern) durch Entspannung und Kontraktion geformt, das Auge ist dadurch fähig, sich auf Gegenstände zu fokussieren. Hinter der Linse liegt die Netzhaut (Retina). Sie stellt die Innenauskleidung des Auges dar, besteht aus einem blinden und einem lichtempfindlichen Teil und enthält Sinneszellen (Photorezeptoren) und andere Nerv- und Stützzellen. Auf der Netzhaut befindet sich der Gelbe Fleck (Macula lutea). In ihm ist die Fovea centralis zu finden. Sie ist eine vertiefte zentrale Stelle und zugleich der Punkt des schärfsten Sehens. Außerdem findet sich auf der Netzhaut auch noch der Blinde Fleck. Hier gibt es keinerlei Rezeptoren, weswegen der Mensch für diese Gesichtsfeldregion blind ist. Der schon genannte Sehnerv führt von der Netzhaut ab zum Gehirn.

Wie funktioniert das Sehen?

Unsere optische Sinneswahrnehmung ist ein höchst komplexer Vorgang, der an dieser Stelle nur grob wiedergegeben werden kann.

Das Sehen funktioniert auf der gleichen Weise, wie die Bildaufnahme einer Videokamera. Das Licht nimmt dabei seinen Weg durch die einzelnen Bereiche des Auges: Hornhaut, vordere Augenkammer, Pupille, Linse und Glaskörper.

Die Hornhaut bricht das Licht dabei mit einer Brechkraft von 42 Dioptrien. Dies ist für das Sehen sehr wichtig, denn nur so können Bilder auf der Netzhaut entstehen. Die Iris wirkt wie eine farbige Blende und sorgt dafür, dass einfallendes Licht nur durch die Pupille ins Augeninnere gelangt. An der Iris befinden sich zwei Muskeln, die die Pupille je nach Lichtverhältnis vergrößern oder verkleinern können. Das Licht fällt über die Pupille in die Linse, sie sammelt das Licht und bündelt es zu einem scharfen Bild, was man als Akkomodation bezeichnet. Auf der Netzhaut schlussendlich wird das Licht gebündelt. Über 127 Millionen Lichtrezeptoren sind sodann an der Bildentstehung beteiligt. Sie wandeln das Licht in Nervenimpulse um, die dann über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet werden.

Das räumliche Sehen erreichen unsere Augen durch die Kombination beider Bildeindrücke. Zehn Millionen Informationen sammeln unsere Augen dabei pro Sekunde. Das sind mehr Eindrücke als jedes andere Sinnesorgan liefert, was einen Anteil von über 80 Prozent unserer Gesamtwahrnehmung ausmacht.

Die visuelle Wahrnehmung

Unsere visuelle Wahrnehmung lässt sich in verschiedene Kategorien unterteilen: In die Wahrnehmung des Raumes, von Objektgrößen, von Helligkeit und Farbe, von Kontrasten, von Schärfe. Auch wenn unser visuelles System in vielerlei Hinsicht zu immensen Leistungen fähig ist, kommen sie auch in vielerlei Hinsicht an ihre physischen Grenzen.

Dies zeigt sich schon beim räumlichen Sehen. Interessanterweise erscheint auf unserer Netzhaut lediglich ein zweidimensionales Bild. Die Tiefen werden von unserem visuellen System stets hinzukonstruiert. Dazu nutzen unsere Augen die unterschiedlichen Anhaltspunkte und deren geschätzte Größe. Dafür sind die Eindrücke beider Augen notwendig. Das räumliche oder auch stereoskope Sehen muss im Laufe des Lebens erlernt werden. Kindern fehlt dieses bei der Geburt gänzlich. Bei Erwachsenen kann es aufgrund einer Fehlstellung der Augen eingeschränkt sein. Doch diese lassen sich meist mit einer Sehhilfe kompensieren.

Eine weitere Eigenheit unseres Sehvermögens ist die Wahrnehmung von Schärfe. Unsere Augen sind fähig, bestimmte Punkte anzuvisieren. In diesen Punkten (Horopter) sehen wir scharf. Alles andere, was abseits dieser Zielpunkte liegt, erscheint uns hingegen verschwommen. Deswegen ist es uns auch nicht möglich zwei unterschiedlich gelegene Objekte scharf zu sehen, unser Sichtfenster ist stets begrenzt. Diese Begrenztheit gleichen wir jedoch mit einer anderen Fähigkeit aus: Unser Auge ist zu Bewegungen imstande, die so schnell sind, wie fast keine andere Bewegung im menschlichen Körper. Diese Bewegung, passenderweise auch „saccade" genannt, ist eine ruckartige Bewegungsform. Unsere Augen springen dabei reflexartig von Punkt zu Punkt, um aktiv das gesamte Umfeld wahrzunehmen zu können.

Eine weitere interessante Fähigkeit unserer Augen liegt in der Farb- und Helligkeitswahrnehmung. Zu dieser Leistung waren unsere Augen nicht schon immer fähig. Unsere ersten Vorfahren konnten lediglich hell und dunkel unterscheiden. Unsere Farbwahrnehmung ist von der Unterscheidungsfähigkeit verschiedener Wellenlängenbereich von Licht abhängig. Je mehr unterschiedliche Wellenlängenbereiche wir erkennen können, desto mehr Farben unterscheiden wir. Objekte erscheinen uns in der Farbe, in denen sie das Licht in bestimmten Wellenlängen reflektieren. Deswegen können wir auch nie sagen, welche Farbe das Objekt hat, sondern nur die Farbe nennen, die das Licht uns vorgibt. Je nach Wellenlänge sind verschiedene Photorezeptoren auf unserer Netzhaut zuständig: Mit den L-Zapfen sind wir für längere Wellenlängen empfindlich, wir sehen so Farben in einem Spektrum zwischen Gelb und Rot. Die M-Zapfen sind für mittlere Wellenlängen verantwortlich. Hier haben wir ein Farbspektrum zwischen Grün und Gelb. Die S-Zapfen sind für kürzere Wellenlängen empfindlich. Wir sehen hier zwischen Blau und Grün. Wir sehen also in Farbe, weil die Strahlungsleistung in den Zapfen der Netzhaut resorbiert wird. Diese Daten führen in Kombination mit unserer Farbempfindung zur Wahrnehmung von Farben.

Gesundheit der Augen

Unsere Augen sind Hochleistungsapparate, die aber trotz allem nicht gegen Krankheit und Beschwerden gefeit sind. Im Laufe unseres Lebens nimmt unsere Sehfähigkeit immer stärker ab. Deswegen ist es wichtig, schon sehr früh ein Bewusstsein für den wichtigsten aller Sinne zu entwickeln. Regelmäßige Checks bei Augenarzt gehören genauso dazu, wie die Pflege unserer Augen. Damit sind nicht regelmäßige Augenbäder oder Ähnliches gemeint. Denn unsere Augen besitzen schon ein sehr gut funktionierendes Reinigungssystem. Vielmehr sollten wir über unsere Ernährung beispielsweise darauf achten, dass für das Auge wichtige Nährwerte, wie Lutein und Zeaxanthin (enthalten in Broccoli, Grünkohl, Karotten, etc.), regelmäßig aufgenommen werden. Darüber hinaus können wir gezielt versuchen, mit Augen-Gymnastik oder Augen-Yoga unserer Sehapparat zu stärken.

 

Quellen:

Kuratorium Gutes Sehen (KGS): http://www.sehen.de

Wiebke Gelder, Das Auge und die optische Abbildung, GRIN Verlag, 2009, S. 2

Franz Grehn, Augenheilkunde, 30. Auflage, Springer Verlag, 2011, S. 3-4

Jörg Sczepek, Visuelle Wahrnehmung: Eine Einführung in die Konzepte Bildentstehung, Helligkeit und Farbe, Raumtiefe, Größe, Kontrast und Schärfe, Books on Demand, 2011, S. 38 -60

 

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