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Stress

Stress – mal anders gesehen

Ist Stress immer negativ? Es kommt darauf an, schreibt Prof. Dr. med. Curt Diehm. Warum, verrät er in seinem heutigen Gastbeitrag.
Eines unserer gesellschaftlichen Mega-Themen heißt Stress. Immer mehr Menschen leiden unter ihm und den bekannten Folgen: Kopfschmerzen, Gereiztheit, Erschöpfung und Schlafstörungen. Entsprechend boomt auch der Beratungsmarkt zum Stressabbau. Aus medizinischer Sicht besitzt das Phänomen Stress jedoch zwei Seiten.

Kein Stress mit dem Stress

So zeigte eine Allensbach Umfrage, dass Stress offenbar auch Spaß machen kann. Die Befragung ergab, dass fast drei Viertel aller Deutschen in einer Studie des Instituts für Demoskopie keinerlei Einwände gegen positiven Stress empfinden. Im Westen der Bundesrepublik beurteilen 70 Prozent den Stress anregend, in Ostdeutschland haben diese Erfahrung immerhin noch 59 Prozent gemacht.

Offenbar kann Stress etwas Schönes sein, sowohl im Beruf, als auch in der Freizeit. 32 Prozent der Befragten berichten vom Gefühl der positiven Hochspannung im Job. 30 Prozent erleben eine anregende Wirkung von Stress in der Freizeit. Dass Stress auch als Gegenteil von zu starker Belastung oder Überforderung empfunden werden kann, sagen vor allem Selbständige und Freiberufler. Arbeit wird dann als wenig stressig wahrgenommen, wenn sie auch Befriedigung erzeugt. Interessant: Die vermeintlich überlasteten Manager schütten wesentlich weniger Stresshormone aus als beispielsweise Schichtarbeiter. Je freier, selbstbestimmter und erfolgreicher die Arbeit, desto weniger stresst sie die Betroffenen.

Ausgebrannt: Stress macht Körper und Geist müde

Natürlich kann zu viel Stress auf Dauer auch die Lebensqualität mindern – das ist die andere Seite der Medaille. Wer längere Zeit durchgehend starkem Stress ausgesetzt ist, sollte sich darauf gefasst machen, in einer späteren Lebensphase eher unter einer chronischen Müdigkeit zu leiden. Wie eine Studie des renommierten Karolinska-Instituts in Stockholm zeigt, sind stark gestresste Personen häufiger von dieser Erschöpfung betroffen, als Menschen, die nie oder nur selten unter Druck stehen. Die Forscher analysierten die Daten von insgesamt 20.000 Zwillingspaaren. Gefragt wurden die Probanden nach täglichem Stressempfinden, Lebensstil und chronischer Erschöpfung. Es zeigte sich, dass jene Personen, die in den letzten 25 Jahren ein stressreiches Leben geführt hatten, eine um 65 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit hatten, ein chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome/CFS) zu entwickeln, als ungestresste Probanden. Das chronische Müdigkeitssyndrom zeigt sich meist durch länger anhaltende und starke Mattheit und Müdigkeit sowie durch häufige Störungen der Konzentration, Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit und auch Muskelschmerzen.

Stress ist also eine zweischneidige Angelegenheit. Zum einen erhöht er kurzfristig unsere Aufmerksamkeit und kann sehr belebend wirken. Wir brauchen ihn, um leistungsfähig zu sein. Zu viel oder zu dauerhafter Stress führt allerdings zu Auswirkungen, die es zu vermeiden gilt. Wir tun also gut daran, unseren Stresspegel so gut wie möglich eigenständig zu regulieren.

Stress kann Vitaminbedarf erhöhen

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich 5 Portionen beziehungsweise 650 Gramm Obst und Gemüse zu verzehren. Eine nationale Verzehrstudie zeigt aber, dass dies nur in seltenen Fällen realisiert wird. Die Folge: Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist mit Vitaminen und Mineralstoffen unterversorgt. Das Defizit kann verstärkt werden durch Stress und durch eine langfristige Arzneimitteltherapie. Wir wissen, dass Raucher einen bis zu 50 Prozent höheren Vitamin-C-Bedarf haben als Nicht-Raucher. Resorptionsstörungen im Magen-Darmtrakt, konsumierende Erkrankungen und eine begleitende Chemotherapie bei onkologischen Erkrankungen können ebenfalls den Verbrauch an Vitaminen und Spurenelementen erhöhen.

Eine chronische Behandlung mit Aspirin reduziert die Verfügbarkeit von Eisen und Folsäure sowie Vitamin C. Patientinnen, die orale Kontrazeptiva zu sich nehmen, haben erniedrigte Zink- und Folsäurespiegel. Metformin, ein Medikament das bei Zuckerkrankheit eingesetzt wird, senkt den Blutspiegel von Vitamin B12. Auch dauerhafter Stress erhöht den Bedarf an Mikronährstoffen wie Zink und Vitamin C.

Gestresste Personen sollten dies wissen und mit entsprechender Ernährung, insbesondere mit viel Obst und Gemüse, gegensteuern.

Zum Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Gesund mit Diehm
 

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