Hausarrest bis 50? – Umgang mit Drogenkonsum von Kindern istockphoto.com/diego_cervo

Hausarrest bis 50? – Umgang mit Drogenkonsum von Kindern

Eine Schülerin erzählt ihrer Schulpädagogin: „Meine Bettdecke und mein Schrank sprechen mit mir!“ Eltern reagieren meist in höchstem Maße erschrocken, ohnmächtig oder wütend. Oftmals hagelt es dann Hausarrest oder ähnliche Strafen. Dabei gibt es Mittel und Wege vernünftig und effizient an das Problem heranzugehen. Welche Vorsichtsmaßnahmen ratsam sind und was man tun kann, wenn Kinder in den Konsum harter Drogen abrutschen – darüber gibt Schulpädagogin Bernadett Cyris hier Auskunft…

Schule und Drogen - der Dealer auf dem Pausenhof?

Heimliches Rauchen auf dem Pausenhof oder der Schmuggel eigener Mixgetränke in das Schulgebäude - einige Schüler suchen sich ihre Nischen, leeren die Flaschen still auf der Toilette hinter dem Rücken der Erwachsenen. Der Konsum von Rauschgiften in der Schule ist stets ein Thema. Dabei spielen vor allem der Nikotin- sowie Alkoholkonsum eine immer größere Rolle. Der Kontakt zu Drogen innerhalb der Schule ist laut Studien aus den letzten Jahren relativ hoch, das Dealen an Schulen nimmt einen geringeren Anteil ein. Und doch geraten Eltern in Angst, wenn derartige Meldungen durch die Presse eilen. Eltern sollten  die Entwicklung und das Verhalten ihrer Kinder beobachten. 

Nikotin, Cannabis und Alkohol – Tendenz leicht rückläufig

„Haste mal ne Kippe?“ - Nikotin ist für die meisten Jugendlichen das erste Suchtmittel. Das Einstiegsalter liegt bei etwa 13 Jahren. Hier entwickelt sich recht schnell eine Abhängigkeit. Der Konsum der Jugendlichen spiegelt sich in allen Schichten, Schulformen und Ausbildungsstätten in einem ähnlichen Risikoverhalten. Während im Jahr 2004 noch 35 % der 12- bis 17-jährigen ständige oder gelegentliche Raucher waren, geht die Tendenz mehr und mehr zurück und erreichte knapp 13% im Jahr 2010. Diesen Rückgang stellte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) in einer regelmäßig durchgeführten Studie an 7000 Jugendlichen in Deutschland fest. Ebenso greifen die Jugendlichen immer weniger zum Joint. Auch im Bezug zum Alkohol sind die Jugendlichen unter 18 vorsichtiger und weniger ausfallend geworden.

Das Gift im Badezimmerschrank – Schnüffeln als lebensgefährlicher Trend

Beiläufig erzählt die 15-jährige Sandra ihrer Jugendsozialarbeiterin an der Schule: „Meine Bettdecke und mein Schrank sprechen mit mir!“ Ein mit Schrecken zu beobachtender Trend ist das vermehrt auftretende „Schnüffeln“. Kinder und Jugendliche schnüffeln Butan-Gas aus Deospray, Haarspray, Filzstiften, Lösungsmitteln, Nagellackentfernern, Klebstoffen und Verdünnungsmitteln - alles legal und preiswert zu erwerben. Ein Kick aus der Dose, Halluzinationen, ein kurzer, heftiger Rausch. Ein häufiger Gebrauch kann gravierende Organ- und Nervenschäden mit sich bringen. Aufgrund der hohen Giftigkeit kann das Schnüffeln auch akut zu einer lebensgefährlichen Vergiftung führen, weil es zu epileptischen Anfällen, Atemlähmungen, Herzrhythmusstörungen und letztlich zum Herzstillstand kommen kann. Allein das einmalige Ausprobieren kann tödlich sein, da eine gezielte Dosierung unmöglich ist.

Gravierende Folgen des Drogenkonsums     

Einige Zahlen scheinen zu beruhigen. Dennoch berichtet die BzgA auf ihrer Homepage, dass in Deutschland im Jahr mindestens 110.000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Tabakkonsums, weitere 40.000 Menschen an den Folgen schädlichen Konsums von Alkohol, und etwa 1300 in Folge illegalen Drogenmissbrauchs sterben. Wegschauen wäre bei diesen Zahlen absolut gedankenlos. Je öfter, dauerhafter und vor allem früher Jugendliche zu Marihuana greifen, desto mehr leidet die Hirnleistungsfähigkeit. Vor allem bei langjährigem Kiffen macht sich die Lern- und Merkfähigkeit vor allem unter Stress negativ bemerkbar – und diesen gibt es in der Schule immer wieder. Das jugendliche Gehirn ist noch in der Entwicklung, hier können schneller dauerhafte Schädigungen der Hirnstruktur entstehen. Dies gilt übrigens noch erheblicher für Drogen wie Crystal, Speed oder Pep, Halluzinogene wie LSD oder Rauschgifte wie Ecstasy. Drogenkonsum führt zu einer psychischen Abhängigkeit.

Gründe für den Griff zur Droge

Warum nimmt mein Kind Drogen? Wird es zum Drogenkonsum verführt? Falsche Freunde, Gruppendruck, Neugier - wie kann ich mein Kind schützen? Schutz beginnt im frühen Kindesalter. Die Familie hat den ersten und wohl bedeutendsten Einfluss auf den späteren Umgang mit Suchtmitteln. Insgesamt existiert nicht die „Suchtpersönlichkeit“. Dort aber wo Teenager „abrutschen“ und der Drogenkonsum überhandnimmt, sind vielfältige Faktoren als mögliche Ursache zu betrachten. Ein Mangel an Anerkennung und Liebe, fehlendes Interesse am Schulleben, aber auch einengende Bindungen können problematisch sein. Schicksalsschläge, Krankheiten, Überforderung und Stress, Wohnverhältnisse, passive Freizeitgestaltung können beeinflussend wirken. Jugendliche trösten sich mit Drogen, vertreiben negative Selbstwertgefühle und schmerzhafte Emotionen. Sie versuchen aus der Realität zu flüchten und lassen den Stress und die Frustration hinter sich. Das Jugendalter ist eine Zeit des Experimentierens und vor allem der Abgrenzung von der Welt der Erwachsenen. Oftmals ist aber diese Übergangsphase wieder schnell vorbei. Der adäquate Umgang mit Suchtmitteln stellt heutzutage eine Entwicklungsaufgabe für Jugendliche dar und ist fest in unsere Gesellschaft verankert. Schließlich gehen auch aus sehr schwierigen Familienverhältnissen lebenstüchtige Kinder hervor. In der Wissenschaft spricht man von Schutzfaktoren, wie Temperament, Intelligenz, Selbstwertgefühl und vor allem positiven Beziehungen zu mindestens einer Bezugsperson.

Warnzeichen erkennen

Wenn sich das eigene Kind sozial zurückzieht, sich die Noten verschlechtern, sollte man aufmerksam sein. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, anstatt die Augen zu verschließen. Riecht es im Kinderzimmer nach Rauch oder bittet Ihr Kind ständig um ein paar Euro zusätzlich, hat es ständig rot unterlaufene Augen oder wirkt abwesend und erschöpft? All dies können Warnsignale für Drogenkonsum sein. Ausgeprägte Stimmungsschwankungen, Gleichgültigkeit sowie Hautveränderungen, aber auch der süßliche Geruch des Hanfrauches, der plötzliche Drang zu Duftkerzen und ständiger Husten können Hinweise für das Rauchen von Cannabis sein. Auch wenn zu Hause Pflanzen, Samen oder Pilze gezüchtet werden, ist Vorsicht geboten.

Wie reagiere ich richtig? Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Wütend, schockiert und strafend zu reagieren hilft nicht viel. Fragen sie Ihr Kind, was es am Kiffen so besonders findet. Klären sie über die Risiken auf. Schon im Voraus kann durch  Gespräche viel getan werden. Ist der Konsum schon längerfristig vorhanden, nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch! Auch Lehrer oder gleichaltrige Freunde sollten Betroffene unbedingt darauf ansprechen und nicht zögern, die Hilfe einer Drogenberatungsstelle oder eines Jugendpsychiaters anzunehmen. Jugendsozialarbeiter oder Vertrauenslehrer können erste Ansprechpartner in der Schule sein. Überlegte, lösungsorientierte Gespräche mit Lehrern, Eltern und dem Jugendlichen mit Hinterfragung der Lebenssituationen und ohne Standpauken können schrittweise zu Teilzielen führen. Auch innerhalb der Schulen muss das Thema Drogen offensiv angegangen werden.  Drogenprävention muss lebensnah sein, sie darf nicht mit Abschreckung, Zwängen oder Notendruck arbeiten, aber muss deutliche Aussagen über die Auswirkungen des Drogenkonsums – gesundheitlich und strafrechtlich – machen.  Die Vorbildfunktion der Erwachsenen und die Erziehung zur Selbständigkeit sind bedeutende Bausteine für ein selbstbestimmtes Leben ohne Drogen.

 

Unsere Expertin: Bernadett Cyris

bernadett

 Diplom-Pädagogin (Univ.)

Diplom-Pädagogin mit den Nebenfächern Soziologie und Psychologie sowie dem Schwerpunkt Elementarpädagogik; Jugendsozialarbeiterin und Ansprechpartnerin bei Erziehungsproblemen, jugendlichen Fragestellungen, Lern- und Motivationsschwierigkeiten, Konflikten sowie aktiv in der Projekt- und Präventionsarbeit