Das möchte ich auf keinen Fall verteufeln. Der oft zitierte, informierte Patient ist gut und wichtig. Aber von diesem Verhalten geht auch eine immense Gefahr aus. Denn die gefundenen Informationen haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Gesundheit von Millionen Menschen.
Was wird am häufigsten gesucht?
Zu den am häufigsten eingegebenen Suchbegriffen, zählen dabei nicht einmal nur die großen Volkskrankheiten. Bereits 2015 hat eine große Untersuchung einer Krankenversicherung in ihrer Studie „Praxis Dr. Internet“ eine Hitliste erstellt. Auf Platz 1 stand die Schilddrüsenvergrößerung (Struma) gefolgt von Diabetes und dem Tabu-Thema Hämorrhoiden. Auf den weiteren Rängen: Magenschleimhautentzündung, Magersucht, Neurodermitis, ADHS, Depression, Durchfall, Bluthochdruck, Kopfschmerz, Rheuma und so weiter.Besonders häufig wurde übrigens in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin gesucht. Über die Gründe kann man nur spekulieren, aber vielleicht liegt es daran, dass sich gerade Menschen in Ballungsräumen für besonders selbstständig halten, und die Internetrecherche einem „echten“ Arztbesuch vorziehen.
Internet erfüllt unterschiedliche Bedürfnisse
Mit den Gründen für die zunehmende Online-Suche nach Gesundheitsthemen hat sich im vergangenen Jahr auch die Bertelsmann Stiftung beschäftigt. In ihrem Bericht zu ihrer diesbezüglichen Studie schreibt sie: „Nach den Zielen und Motiven ihrer Online-Suche befragt, sagen 73 Prozent der Deutschen, dass sie über Gesundheitsrisiken und Krankheiten allgemein besser informiert sein möchten. Gut die Hälfte will außerdem Tipps und Hilfen für eine gesündere Lebensweise finden oder sich bei einem akuten Gesundheitsproblem selbst helfen. Weitere rationale Gründe, etwa die Empfehlungen eines Arztes besser zu verstehen oder zu überprüfen, spielen ebenfalls eine Rolle.“Gefahr von falschen Informationen
Beide genannten Studien weisen dabei aber auch ausdrücklich auf die Gefahren von Falschinformationen hin. Denn nicht alles, was man im Internet findet, entspricht der Wahrheit. Gerade bei Gesundheitsthemen. Nicht jede Seite im Internet ist – so wie diese hier, auf der Sie sich jetzt gerade informieren – seriös. Ganz im Gegenteil. Die Studie „Praxis Dr. Internet“ kommt sogar zu dem Resultat, dass weit mehr als die Hälfte aller untersuchten deutschen Gesundheitsseiten nur die Schulnote „ausreichend“ oder schlechter verdienen. Ob durch Nachlässigkeit bei der Recherche oder durch die Verknüpfung mit gezielten eigenen (wirtschaftlichen oder politischen) Interessen spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.Fakt ist: Das Internet ist eine Informationsquelle und ich schätze es durchaus, wenn sich meine Patienten selbst schlau machen – gerne im Netz. Bei kleineren Beschwerden kann die Selbsthilfe via Dr. Google sogar den Arzt ersetzen. Bei echten Krankheiten sollte jedoch immer der Besuch beim Hausarzt an erster Stelle stehen. Er kennt seine Patienten und im Idealfall auch deren Familiengeschichte. Diese Mischung aus wissenschaftlichen Fakten, persönlicher Erfahrung und dem Eindruck beim Sehen des Patienten macht eine gute Behandlung aus. Wenn Online-Beratungen und Selbstdiagnosen jedoch dazu führen, dass sich diese Bindung zum Hausarzt verschlechtert, dann finde ich das sehr bedenklich.
Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.