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Teil 6 - Wie greifen unsere Sinne ineinander?

Fünf Hauptsinne hat der Mensch, die ganz verschiedene Sinneseindrücke verarbeiten und uns ermöglichen, sie wahrzunehmen. Riechen, schmecken, fühlen, hören und sehen – jeweils wird ein anderes Organ beansprucht. Doch unsere Sinne stehen immer in einem Zusammenhang miteinander. Wie die einzelnen Sinne ineinandergreifen, wird von Gesündernet erklärt.
In den vorherigen Teilen unseres Sinne-Specials sind bereits alle Sinne isoliert voneinander vorgestellt worden. Jedoch gibt es bestimmte Überschneidungen der Sinne. Und was passiert eigentlich, wenn ein Sinn ausfällt?

Entwicklung der Sinne

Die Sinnesorgane und damit auch die Sinne entwickeln sich bereits beim Embryo. Der Tastsinn ist dabei der erste, der heranreift. Er ist die Grundlage für die emotionale, motorische, kognitive und sprachliche Entwicklung. Der Tastsinn ist ein Vermittler zwischen Sehen und motorischer Aktivität. Die Vermittlerfunktion des Tastsinns wird gerade auch dann sichtbar, wenn Babys nach allem greifen und alles anfassen. Ohne den Tastsinn können sich auch die anderen Sinne nicht so einfach ausprägen.

Beim Ungeborenen entwickelt sich der Tastsinn bereits ab der achten Schwangerschaftswoche, Bewegungsreize können in etwa ab der 28. Schwangerschaftswoche aufgenommen und verarbeitet werden. In der Folge entwickeln sich auch der Hörsinn und der Sehsinn sowie die Sinne, die für Geschmack und Geruch verantwortlich sind, so dass alle Sinne entwickelt sind, wenn das Kind geboren wird. Doch werden alle Eindrücke zunächst einzeln verarbeitet. Die Zusammenarbeit der einzelnen Sinne ist in den ersten drei Lebensmonaten noch nicht ausgeprägt.

Mit etwa einem viertel Jahr koordinieren sich die Sinne langsam, das heißt, es entstehen Verbindungen der einzelnen Modalitäten. Zu erkennen ist diese Entwicklungsphase daran, dass Kinder beginnen, Gegenstände mit allen Sinnen wahrzunehmen. So wollen sie beispielsweise alles in den Mund nehmen, schauen sich oft mit großen Augen um und reagieren auch noch deutlicher auf Geräusche als zuvor.

Mit ungefähr einem Jahr übt sich das Kind in der taktilen Kontrolle. Die Koordination beider Hände wird erlernt, das Kind begreift, wie viel Kraft es wofür einsetzen muss und die Fortbewegung in eine präzise Richtung ist möglich. Während vorher der Tastsinn die Hauptrolle bei der Orientierung gespielt hat, übernimmt jetzt zunehmend das Sehen die Hauptaufgabe.

Sinne ergänzen sich

Schon in der kindlichen Entwicklung wird also sichtbar, dass sich die einzelnen Sinne ergänzen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik haben herausgefunden, dass Teile des Hörzentrums auch auf optische Signale mit erhöhter Aktivität reagieren. Und auch der Tastsinn unterstützt das Hörzentrum, was in einigen Situationen extrem relevant werden kann. „Stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen vor Ihrem Auto im Dunkeln und suchen den Schlüssel, der Ihnen gerade aus der Hand gefallen ist. In diesem Fall sind Sie froh, wenn Sie die noch verbliebenen Sinnesreize kombinieren können“, sagte Christoph Kayser gegenüber dem Wissensmagazin Scinexx.
 
Wahrnehmungsstörungen
In der Regel ergänzen sich also die verschiedenen Sinne. Das ist nötig für ein ganzheitliches Verständnis der jeweiligen Situation, in der der Mensch sich gerade befindet. Doch längst nicht immer funktioniert der Körper vorbildlich, sodass auch Sinnesstörungen auftreten.

Für Wahrnehmungsstörungen und Ausfälle von Sinnen gibt es eine Vielzahl an Ursachen. Die Sinne können sich bereits in der Entwicklung falsch oder nicht ausreichend entwickeln. Vor allem der sich zuerst entwickelnde Tastsinn hat dabei eine wichtige Aufgabe. Sobald er sich nicht richtig ausprägt, kommt es häufig auch zu anderen fehlgebildeten Sinnen.

Zudem kann ein Sinn durch eine Krankheit ausfallen, teilweise nur vorübergehend, teilweise aber auch dauerhaft. Am bekanntesten ist dabei sicherlich der Ausfall des Geruchsinns, beispielsweise bei einem schweren Schnupfen, wenn die Nase zu ist. Bei einer Wahrnehmungsstörung ist zudem die Frage, ob das Sinnesorgan selbst oder eine Nervenverbindung oder der zuständige Bereich im Gehirn gestört ist. Weitere Möglichkeiten von Sinnesausfällen finden sich in Alkohol- oder Medikamentenkonsum.

Fähigkeiten der vorhandenen Sinne feiner ausgeprägt
Blinde Personen können nicht sehen, haben dafür aber sehr fein ausgeprägte andere Sinne. Tatsächlich funktionieren ihre restlichen Sinne nicht besser als die sehender Menschen, doch sie sind deutlich besser ausgeprägt. Diese werden meist einfach besser trainiert als bei sehenden Personen, da sie sich auf ihre verbliebenen Sinne verlassen müssen. Ein Phänomen, das sich auch auf andere Sinnesstörungen übertragen lässt. So gut es geht, wird der fehlende Sinn ausgeglichen.

Sehbehindert/Blindheit
Personen, die nicht sehen können, orientieren sich vor allem an Geräuschen, mit dem Tast- sowie dem Geruchssinn. Man hört Schritte, kann diese bekannten Mitmenschen zuordnen. Der Straßenverkehr wird deutlicher wahrgenommen, ist doch ein unbedachter Schritt eventuell schon einer zu viel. Der blinde Mensch lernt im Regelfall die Brailleschrift, die aus erhabenen Punkten besteht, die sie mit ihren Fingern ertasten. Zudem können Gegenstände durch ihre Form und Beschaffenheit erfühlt werden. Mithilfe eines Taststocks werden Hindernisse aufgespürt, die einem im Weg sind. Auch der Geruchssinn gibt wichtige Auskünfte. So kann man sich in etwa an Gerüchen in der Umwelt orientieren. Wer seinen täglichen Weg kennt und immer an einem Fischladen abbiegen muss, wartet auf den typischen Geruch. Genauso können auch bekannte Personen erkannt werden, da jeder Mensch einen fast unverwechselbaren Duft ausströmt.

Das Aussehen von Personen kann durch Abtasten erfühlt werden, schließlich möchte man wissen, wem man gegenübersteht. Eine Studie am Tübinger Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik aus dem Jahr 2009 hat allerdings ergeben, dass Geburtsblinde seltener Gesichter erkennen können. Sie sollten Gesichter identifizieren, die sie zuvor ertastet hatten. Den zwei Versuchsgruppen, zum einen später Erblindeten und zum anderen Sehenden, fiel dies leichter. Das zeigt, dass der Tastsinn auch mit den Erfahrungen des Sehens zusammenhängt.

Schwerhörigkeit/Taubheit

Wer taub oder schwerhörig ist, der weicht ebenfalls auf andere Sinne aus. Bei einigen Schwerhörigen ist daher der Tastsinn besonders fein ausgeprägt. Dies, das haben US-amerikanische Forscher Ende letzten Jahres festgestellt, liegt bei bestimmten Personen an einer erblichen Mutation eines Gens. Jenes Gen kommt sowohl in den Haarzellen als auch in den Tastsinneszellen vor. Es handelt sich um einen Kanal, der normalerweise als Ventil überschüssige Kaliumionen entfernt. Dieser fehlende Kaliumionen-Kanal verändert auch die Feinabstimmung in den Tastzellen und lässt sie daher feiner werden. Langsame Schwingungen, die für die Vibration verantwortlich sind, können die betroffenen Personen deswegen besser wahrnehmen. Da viele schwerhörige Menschen beispielsweise Musik fühlen, ist das mutierte Gen für sie ein Vorteil.

Zudem kennt fast jeder das Phänomen, dass man beim Gespräch seinen Gegenüber anschauen muss, um ihn besser zu verstehen. Wer einmal versucht in einem lauten Club mit jemandem zu sprechen, der wird dies schnell feststellen. Das so genannte Lippenlesen haben viele Schwerhörige fast perfektioniert, sodass sie an Gesprächen teilnehmen können, ohne wirklich etwas über das Gehör aufzunehmen. Zudem verraten auch Mimik und Gestik während des Sprechens viel über die Aussage, was für schwerhörige Personen sehr von Vorteil ist. Zudem können sich Gehörlose über die Gebärdensprache unterhalten, wobei es zwei Möglichkeiten gibt: Zum einen können einzelne Gesten das mündlich Gesprochene unterstreichen, zum anderen kann alles über Gebärden kommuniziert werden.

Fehlender Geruchs- und/oder Geschmackssinn

Diese beiden Sinne werden chemische Sinne genannt, da sie chemische Stoffe erkennen und mit einer Empfindung in Einklang bringen. Die beiden hängen daher eng miteinander zusammen. Wer etwa nicht mehr riechen kann, der schmeckt auch nicht mehr so gut. Die fünf Geschmackssinne süß, sauer, salzig, bitter und umami (herzhaft) sind noch deutlich. Beispielsweise schmecken Chips noch salzig, Kuchen noch süß, doch genaue Feinheiten des Geschmacks können nicht mehr wahrgenommen werden, da diese auch über die Geruchsnerven bestimmt werden.

Bei Personen, die erst später ihren Geruchssinn verloren haben, kann es helfen, den entsprechenden Gegenstand oder das Lebensmittel zu sehen, da die Erinnerung den Geruch heraufbeschwört. Wer sich allerdings nicht an Gerüche erinnern kann, kann diesen Ausfall nur schwer mit anderen Sinnen kompensieren. Ein besonderes Problem ist die so genannte Parosmie, eine unangenehme Sinnestäuschung, bei der die betroffene Person unangenehme Gerüche wahrnimmt.

Bei einer Geruchs- und Geschmacksstörung sollten die betroffenen Personen sich ebenfalls auf ihre anderen Sinne verlassen können. Gerade gammliges Essen kann ja nicht geschmeckt werden, doch wer es dennoch verspeist, kann an Folgeerkrankungen wie Magenproblemen oder gar Vergiftungen leiden. In diesem Fall ist vor allem der Sehsinn wichtig, da verdorbene Lebensmittel häufig schon am Aussehen zu erkennen sind.

Gefühlsstörung

Es gibt eine Reihe an Gefühlsstörungen, unter denen ein Mensch leiden kann. Berührungen werden nicht mehr so deutlich wahrgenommen, das Tastempfinden, auch Oberflächensensibilität genannt, ist verringert oder der Körper erkennt keine Temperaturunterschiede mehr. Ein weiteres Problem kann eine gestörte Schmerzempfindung sein, denn wenn der Mensch keinen Schmerz mehr wahrnimmt, ist dies für den Körper sehr gefährlich.

Natürlich ist die Medizin von stetigen Fortschritten geprägt. Doch solange nicht alle Sinnesstörungen behandelt oder sogar geheilt werden können, müssen die Betroffenen weiterhin mit ihren verbliebenen Sinnen auskommen. Unterstützende Hilfsmittel können den Ausfall eines Sinnes soweit es geht kompensieren und zum Glück arbeiten die Sinne ja auch füreinander.
 


Quellen:
Aus meiner Feder.at: Mein Werkzeugkörper der Sinne, Artikel vom Juli 2008, http://aus-meiner-feder.at/alltag/werkzeug.php
dradio.de: Teamwork der Sinne, Artikel vom 31.03.2009,  http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/943179/
Hülshoff, Thomas: Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik, UTB Stuttgart, 2010, S. 153-156
Huppelsberg, Jens; Walter, Kerstin: Kurzlehrbuch Physiologie, Thieme, 2005, S. 355f.
Scinexx: Fingerspitzengefühl für die Ohren, Artikel vom 10.05.2007, http://g-o.de/dossier-detail-351-7.html
Scinexx: Integration ist Trumpf, Artikel vom 10.05.2007, http://g-o.de/dossier-detail-351-8.html
Scinexx: Schwerhörigkeit macht Tastsinn sensibler, Artikel vom 21.11.2011,  http://scinexx.de/wissen-aktuell-14128-2011-11-21.html
symptomat.de: Gefühlsstörung, http://symptomat.de/Gef%C3%BChlsst%C3%B6rung

 
 

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