Kuriose Phobien – Teil 5: Orale Angst Mihai Simonia - Fotolia.com.

Kuriose Phobien – Teil 5: Orale Angst

Die orale Angst, auch Dentalangst genannt, stellt eine Unterform der Arztangst dar. Tatsächlich gibt es Menschen, die es jahrelang vermeiden, zu einem Zahnarzt zu gehen. Der für jeden nachvollziehbar unangenehme Termin löst bei den Betroffenen jedoch nicht etwa schwitzende Hände aus, es kommt vielmehr zu ausgewachsenen Panikattacken allein bei Gedanken an den Zahnarzt. Wir sprachen mit Zahnspezialisten Milan Michalides über die Phobieart und wie man ihr entgegentreten kann.

GesünderNet: Herr Michalides, die Zahnarztphobie ist eine spezielle Form der Arztphobie. Wie äußert sie sich?

Milan Michalides: Nun ja, Angst ist in erster Linie eine menschliche Empfindung und dient als Gefahrenmelder, der das Überleben sichert. Jedoch unterscheiden sich Realängste – also die Furcht, von einer nassen Fahrbahn abzukommen, oder vor dem Verlust eines Familienangehörigen – von Phobien, denen nicht unbedingt eine reale Gefahr zugrunde liegt. Warum sollte man auch Furcht vor dem Zahnarzt haben, obwohl man genau weiß, dass er einem nur helfen will? Logisch betrachtet scheint diese Angst unbegründet, aber dennoch gibt es sie! Viele Patienten haben ein mulmiges Gefühl und feuchte Hände, wenn sie zum Zahnarzt gehen, aber Phobiepatienten bekommen Herzrasen, Schwindelgefühle und Panikattacken allein beim Gedanken an einen Zahnarztbesuch. Viele schaffen es noch nicht einmal in die Praxis, und so entwickeln sich mit der Zeit kleine Probleme zu immer größeren Zahnschäden im Mund – ein Teufelskreis beginnt, der die Angst weiter verstärkt.

GesünderNet: Wer ist davon betroffen und wie viele in Deutschland trauen sich nicht, zum Zahnarzt zu gehen?

Milan Michalides: Nach Schätzungen von Experten leiden etwa 15 Prozent der Bevölkerung, also 12 Millionen Deutsche, unter einer Dentalphobie. Die Angst geht durch alle Altersklassen, durch alle sozialen Schichten und ist auch nicht geschlechtsspezifisch. Es kann also jeden treffen.

GesünderNet: Was glauben Sie, wie eine Zahnarztphobie entsteht? Was sind die konkreten Gedanken der Patienten?

Milan Michalides: Patienten fürchten sich aus verschiedenen Gründen vor dem Zahnarztbesuch. Die meisten Ängste sind jedoch auf schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit zurückzuführen. Schmerzhafte Behandlungen oder falsche Diagnosen beeinflussen sie noch viele Jahre später und lassen sie vor notwendigen Untersuchungen zurückschrecken. Andere haben den Termin einfach zu lange aufgeschoben und trauen sich nun nicht mehr zum Zahnarzt, da sie große Schäden und umfangreiche Eingriffe befürchten. Scham spielt ebenfalls eine große Rolle, genauso wie das unangenehme Gefühl des Ausgeliefertseins. Besonders wichtig ist aber das Vertrauen, die viele durch eben genannte Ereignisse verloren haben.

GesünderNet: Welche konkrete Hilfe bieten Sie in diesem Zusammenhang an?

Milan Michalides: Um diese Angstspirale erfolgreich zu durchbrechen, kann man mit einem gezielten Angstmanagement und einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch arbeiten. Bei uns z.B. stellt der erste Termin einen reinen Beratungstermin dar. Wir schauen uns nur die Zähne an, erstellen eine Röntgenaufnahme, beantworten alle Fragen und besprechen die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten. Mehr nicht. Erst in einem zweiten Termin erfolgt der ambulante Eingriff in Vollnarkose oder - ganz neu - in Lachgas-Sedierung. Sie müssen sich das so vorstellen: Betroffene, die seit vielen Jahren unter extremer Dentalphobie leiden und deshalb ihre Zahnsituation vernachlässigt haben, benötigen oft umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Um Eingriffe für solche Personen so stressfrei wie möglich zu gestalten, nutzen wir beispielsweise die Vollnarkose, bei welcher der Patient nichts vom Eingriff mitbekommt. So können wir Behandlungen ohne Unterbrechungen sicher und in einem einzigen Schritt durchführen. Für Betroffene stellt dies meist die angenehmste Form dar, da sie den Eingriff einfach verschlafen und anschließend mit neuen Zähnen aufwachen. Bei den nachfolgenden, schmerzfreien Terminen wird der neue Zahnersatz lediglich anprobiert und eingesetzt. Anschließende Kontrollbesuche verlaufen für Angstpatienten meist ohne Herzrasen und Schmerzen.

GesünderNet: Sie erwähnten gerade Lachgas. Wie soll das gegen die Angst helfen?

Milan Michalides: Lachgas bringt viele Vorteile mit. Zum einen ist es eine ideale Versorgungsbrücke zwischen örtlicher Betäubung und Vollnarkose. Besonders Kinder, ältere Personen und eben Angstpatienten profitieren von der komplikationsfreien und kostengünstigen Alternative. Beim Einatmen über eine Nasenmaske bewirkt das Sauerstoff-Lachgas-Gemisch einen gelösten und entkrampften Gemütszustand. Angstzustände schwinden nach kurzer Einleitungsphase und Patienten verspüren ein wohliges Gefühl und eine gewisse Distanz zum Behandlungsgeschehen. Selbst der unterstützende Einsatz von Spritzen stellt jetzt für sie kein Problem mehr dar. Von kleinen Beschwerden bis hin zu mehrstündigen Eingriffen eignet sich die Methode für jeden Behandlungsumfang. Weitere Vorteile: Schneller Eintritt der Wirkung sowie eine rasche Wiedererlangung des Normalzustandes nach Behandlungsende und einer damit verbundenen Verkehrstüchtigkeit. Daneben bleiben Patienten während der gesamten Behandlung ansprechbar. Eine versehentliche Überdosierung ist ausgeschlossen, denn die modernen Applikationsgeräte arbeiten mit einer integrierten Sperre.

 

Unser Experte: Milan Michalides, Zahnarzt und Implantologe aus Stuhr

 michalides

Ordentliches Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie (DGZI)

Fachgebiete: Oralchirurgie, Implantologie, ästhetische Zahnheilkunde, Behandlung von Angstpatienten und Laserbehandlung

 

Weitere Informationen unter www.zahnaerzte-stuhr.de